Am Bundesgymnasium Geringergasse in Simmering werden über 900 SchülerInnen unterrichtet.

Foto: derStandard.at/Eder

In diesem Lehrerzimmer sollen 94 LehrerInnen Platz haben. Teilweise müssen sie sich ihren Arbeitsbereich teilen. "Im Konferenzzimmer kann ich nicht gut korrigieren", sagt Irene Kögerl. Sie weicht in die Computerräume aus.

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Der Hinweiszettel für die Diensstellenversammlung hängt direkt über dem Eingang zum Konferenzzimmer.

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Gemurmel und Gekicher vor den Computern. Supplierstunde in der 1b-Klasse des Bundesgymnasiums Geringergasse in Wien-Simmering. Lehrerin Irene Kügerl hat erst am Morgen erfahren, dass sie in der zweiten Stunde einspringen muss, die Kinder machen am Computer Rechtschreibübungen. Kügerl, 27, unterrichtet Französisch, Spanisch, Psychologie und Deutsch als Fremdsprache. In diesem Schuljahr hat sie zwei halbe Lehrverpflichtungen an verschiedenen Gymnasien. "Heuer hab’ ich Glück", erzählt sie, "ich muss nur an einem Tag pendeln." Eine halbe Stunde braucht sie von der Geringergasse (11. Bezirk) zum Gymnasium Laaer Berg (10. Bezirk) mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. 37 Stunden pro Woche verbringe sie insgesamt in beiden Schulen, weil sie die meisten Vorbereitungen und Korrekturen in den Lücken zwischen dem Unterricht vor Ort mache.

Stimmung angespannt

Weil Kügerl als Junglehrerin einen befristeten Lehrvertrag hat, weiß sie nie, wie viele Stunden sie im nächsten Schuljahr unterrichten kann. Das sei eine Belastung, auch wegen der finanziellen Unsicherheit. Sie schaut in die Klasse: "Hey, letzte Reihe, ein bisschen leiser!" Entschuldigend sagt sie, dass sie diese Klasse normalerweise nicht unterrichtet und deshalb nicht kenne. Die Stimmung unter den Lehrern sei angespannt, erzählt sie, besonders die jungen Kollegen hätten Angst um ihre Stunden. Eine Situation die auch innerhalb des Lehrerkollegiums für Spannungen sorgen kann. Kügerl befürchtet selbst, ihre Französisch-Einheiten an ältere Kollegen abgeben zu müssen, wenn die von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) geforderte Regelung umgesetzt wird und Lehrer in Zukunft zwei Stunden mehr pro Woche unterrichten müssen.

Arbeit ist "abwechslungsreich und lustig"

9.50 Uhr, es klingelt zur Pause, Kügerl hat jetzt Gangaufsicht. Die Kinder stürmen aus den Klassen in Richtung Buffet, ein plötzlicher Lärmpegel hallt durch das Gebäude. "Pro Woche haben wir bis zu einer Stunde Gangaufsicht", erzählt Kügerl, "bei mir sind es 40 Minuten." Warum sie Lehrerin werden wollte? Ihre Arbeit sei "abwechslungsreich, lustig und man hat viel Kontakt mit Menschen." Wie viel Spaß macht das Unterrichten? Die Junglehrerin lacht. "Es ist sehr anstrengend, ich habe heuer meine ersten Maturaklasse." Zwei Jahre habe sie auf eine Anstellung gewartet, in der Zwischenzeit habe sie sich mit einem Nachhilfeinstitut selbstständig gemacht.

80 Sitzplätze für 94 Professoren

Ein Blick ins Konferenzzimmer: Vier lange Tische mit insgesamt 80 Sitzplätzen für 94 Professoren. Auf den Tischen türmen sich Bücher, Hefte und Büroutensilien. An einer Wand hängt der überdimensionale Lehrplan, auf einem kleinen Tisch stehen ein paar Radios, Spind-Reihen umsäumen den Raum. "Die meisten Lehrer nehmen sich die Arbeit mit nach Hause", erklärt Claudia Valsky, seit zwei Jahren Direktorin an der Schule. Um dem Platzproblem entgegenzusteuern, wurden zwei PC-Räume mit insgesamt zwölf Computern eingerichtet.

"Keine Qualitätssteigerung" durch Maßnahme

Zu der von Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) geplanten Ausweitung der Unterrichtszeit sagt Valsky: "Das sind Sparmaßnahmen, keine Qualitätssteigerung. Es hilft den Schülern nicht." Sie hätte sich gewünscht, dass damit einhergehend zum Beispiel das Kontingent für Förderunterricht und Betreuung erhöht worden wäre. Wenn die Lehrer nun aber zwei Stunden pro Woche mehr unterrichten müssten, würde ihnen genau diese Zeit für andere Arbeiten abgehen. "Das ist für die Schüler ein krasser Nachteil. Für eine Lehrerin, die Deutsch und Geografie unterrichtet, würde das eine Geografieklasse mehr bedeuten. Wenn wir aber unsere Arbeit umschichten und damit andere Tätigkeiten reduzieren müssen, leiden die Schüler darunter."

 Wenn die Pläne der Unterrichtsministerin durchgesetzt würden, bedeute das für das Gymnasium eine Einsparung von rund 150 Unterrichtsstunden pro Woche. Das wiederum hätte zur Folge, dass theoretisch die Lehrverpflichtungen von bis zu sechs Lehrern auf dem Spiel stehen, so die Direktorin. "Die Bereitschaft zu streiken ist sehr groß", sagt sie. Sie wolle nicht jammern oder auf andere hinhauen, die Frage sei aber: "Was will ich mir als Staat leisten?"

Schüler verstehen Lehrer

In der nächsten Pause das gleiche Prozedere, Türen öffnen sich, Buben und Mädchen sausen in ihren Patschen durch die Gänge. Wie denken sie eigentlich von der Arbeit ihrer Lehrer? Haben die Professoren wirklich so viel zu tun? "Ja, sicher, wenn sie Schularbeiten-Fächer unterrichten", ist Carmen (16) überzeugt. Die Schüler seien ja auch sehr anstrengend, bei den Lehrern gehe "viel private Zeit drauf". Michael (17) meldet sich zu Wort: Schmieds Vorschlag sei "ein Wahnsinn, weil das einer sozialdemokratischen Partei nicht würdig ist." Ob die Schüler sich vorstellen können, selbst einmal als Lehrer zu arbeiten? Sie lachen, lieber nicht. Die Pause ist vorbei, am Gang kehrt Ruhe ein. (Maria Kapeller, Teresa Eder/derStandard.at, 5.3.2009)