Bei der Präsentation des genderspezifischen Eurobarometer-Berichts im Brüsseler EU-Parlament war schnell eines klar: für frauenspezifische Erkenntnisse zum Thema EU interessierten sich auch beinahe nur Frauen. Am Plenum und im Publikum weibliche Gestalten. Die Verfasserinnen der Studien durchwegs Frauen. So konnte auch schon vor Präsentation der Ergebnisse zum Thema "Frauen und die Wahlen zum Europäischen Parlament" eindrücklich das Problemfeld abgesteckt werden. Themen die Frauen jucken Männer oft herzlich wenig. Zumindest tendenziell.

Provokant formulierte es auch Margot Wallström, die als Vizepräsidentin der Europäischen Kommission auch die Auftraggeber repräsentierte: Warum, so fragt sie, sind unter 160 Geschäftsführern beim Wirtschaftsgipfel in Davos nur sechs Frauen gewesen? Weil Frauen das Führen nicht beherrschen? Oder weil sie sich nicht für Politik und Wirtschaft interessieren?

Folgt man den Ergebnissen der neu präsentierten Sichtweise einer alt bekannten Studie, so geben zumindest die befragten Frauen an, sich weit weniger für politische Themen zu interessieren als die männlichen Pendants dies tun. Politik, meinen überdurchschnittlich viele Frauen in Portugal, der tschechischen Republik und in Polen, sei einfach immer noch eine Männerdomäne. Uber 50 Prozent der europäischen Frauen wünschen sich allerdings, dass diese Tatsache sich ändert. Auf europäischer Ebene wollen sie einen Frauenanteil in der Politik von mindestens 50 Prozent. Quoten sollen aber nicht zu diesem Anteil führen. Ein Paradoxon, meint Wallström, weil ihrer Meinung nach das eine ohne das andere nicht möglich ist. Veränderung müsse man regeln.

Wahlbeteiligung

Die Absicht, sich an den EU-Wahlen im Juni zu beteiligen, äußern übrigens gleich viele Männer wie Frauen. Bei den KandidatInnen ist beiden Geschlechtern zuallererst die Themenwahl wichtig. Ganz vorne waren bei der Befragung Themen wie "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit", "Vereinbarkeit von Job und Familie", "Anrechenbarkeit von Kinderbetreungszeiten" und "Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen". Frauen beziehen stärker die Personlichkeit der KandidatInnen in ihre Entscheidung ein, Männer halten sich eher an ihre alt bewährte Partei, der sie auch auf nationaler Ebene ihre Stimme geben.

Bisher sind jedenfalls 46 Prozent der Frauen damit unzufrieden, wie ihre Interessen auf EU-Ebene vertreten werden. Nur 39 Prozent sind zufrieden mit der Arbeit ihrer ParlamentarierInnen. Besonders viele der Zufriedenen sind in Luxemburg, den Niederlanden und Dänemark zu finden.

Interessantes Ergebnis einer ergänzenden Studie der Universitat of Exeter: Frauen geben die Bedeutung von Politik und das Interesse an Politik überdurchschnittlich oft an, je mehr Frauen aus den jeweiligen Ländern auch tatsachlich in der Politik aktiv sind. Auf Ebene des EU-Parlaments sind das vor allem in Malta und Spanien viele. 50 Prozent der VertreterInnen der beiden Länder in Brüssel sind weiblich. Österreich hingegen hat nur 27,8 Prozent Frauenanteil im EU-Parlament.

Dieselbe Studie stellt Österreichs Medien ein schlechtes Zeugnis aus: die Sichtbarkeit der Kandidatinnen, die sich für Abgeordnetensessel im EU-Parlament bewerben, ist quasi nicht vorhanden. Hauptsächlich wird über männliche Kandidaten berichtet. Fur die Studie wurden 40.000 Männer und Frauen in allen 27 Mitgliedsstaaten interviewt. (mhe, dieStandard.at, 5.3.2009)