Die Lehrerprotest-erprobte Vorgängerin Elisabeth Gehrer hat sich noch nicht bei Claudia Schmied gemeldet. Wohl aber frühere Finanzminister, die die erweiterte Unterrichtspflicht "schon machen wollten".

STANDARD: Wie viele E-Mails von Lehrerinnen und Lehrern haben Sie seit Ihrem Vorstoß, die Unterrichtspflicht der Lehrer um zwei Stunden pro Woche zu erhöhen, erhalten?

Schmied: Es waren bis jetzt mehr als 900, wobei ganz interessant ist, dass etwa ein Drittel positiv ist.

STANDARD: Aber wie fühlt es sich an, langsam zum Feindbild Nummer eins der Lehrer zu werden?

Schmied: Das gefällt mir natürlich gar nicht. Faktum ist, dass wir vor einer ganz schwierigen Budgetsituation im Unterrichtsministerium stehen. Ich habe auch drei Jahre im Finanzministerium gearbeitet, habe also einen sehr klaren Blick auf das Budget und kann die Zahlen sehr gut bewerten. Wir müssen die Größenordnungen sehen: Ich brauche für den Ausbau des Schulbetriebs (Ausstattung, Miete) und die Umsetzung der Reformprojekte 2009 ein Volumen von 180 Millionen Euro und im Budgetjahr 2010 345 Millionen. Das Ziel ist klar: Ich möchte den offensiven Bildungsweg fortsetzen.

STANDARD: Die Lehrergewerkschafter sehen das etwas anders und haben Dienstagabend für 12. März Dienststellenversammlungen an allen Schulen beschlossen. Das ist ein erster Schritt in Richtung Streik.

Schmied: Ich habe ihnen bei unserem Treffen gesagt, dass es in diesem Gesamtpaket um Verbesserungen für die Kinder, aber auch für die Lehrer geht - und dass wir dieses Ziel nur gemeinsam meistern können. Natürlich gibt es verschiedene Wege, dieses Ziel zu erreichen. Der Vorschlag aus dem Finanzministerium, stattdessen Zulagen oder Prüfungstaxen zu streichen, wurde natürlich kategorisch von der Gewerkschaft abgelehnt. Auch ich halte es in Zeiten der angespannten Konjunktur nicht für zielführend, Einkommen und damit Nachfrage zu reduzieren. Daher ist für mich unter den gegebenen Bedingungen die Verlängerung der Unterrichtszeit, die ja verbunden ist mit einer Arbeitsplatz- und Beschäftigungsgarantie für die Lehrer - ich brauche sie ja -, nach wie vor der beste Weg für alle Betroffenen. In anderen Branchen werden jetzt viele Menschen arbeitslos, auf Kurzarbeit gesetzt oder sie müssen Änderungskündigungen zustimmen. Von den Lehrern kam als Alternativvorschlag nur die Forderung nach mehr Budget.

STANDARD: Sie beharren also auf der Erhöhung der Unterrichtspflicht?

Schmied: Nein. Ich beharre nicht auf der Erhöhung um zwei Stunden. Ich bin offen für alle anderen Vorschläge. Wichtig ist mir in erster Linie die Verbesserung der Bildung in Österreich. Wenn wir uns Pisa und andere Studien anschauen, dann dürfen wir es uns im Interesse unserer Kinder nicht leisten, das Bildungssystem zurückzubauen.

STANDARD: Sie hoffen nach wie vor, dass Finanzminister Josef Pröll (VP) das Budget noch einmal aufschnürt - das ist wohl auszuschließen.

Schmied: Die Faktenlage ist klar: Wir haben die Budgetverhandlungen sehr intensiv geführt. Ich sage noch einmal: Die Budgetzahlen, so wie sie jetzt da sind, sind von mir nur vertretbar in Kombination mit Strukturmaßnahmen, die eine Bedeckung in dieser Größenordnung bringen, sonst klafft eine Finanzierungs- und Liquiditätslücke - und dazu bin ich zu sehr vom Fach, als dass ich sagen könnte, das ist eine Größenordnung, die man irgendwie überwinden kann.

STANDARD: Wenn Sie sagen, "das ist von mir nur vertretbar" , wenn das Geld zur Verfügung steht oder Strukturreformen kommen, ist dann Ihr Rücktritt die Alternative, wenn weder mehr Geld noch mehr Unterrichtspflicht für Lehrer kommen?

Schmied: Ich habe ganz klar gesagt, ich möchte eine Bildungsministerin sein, die das österreichische Bildungssystem gestaltet und zukunftsfit macht. Ein Verwalten der Bildung oder ein Rückbau wäre für mich keine attraktive Aufgabe. Und in dem Sinn, auf den Punkt gebracht, wäre das für mich auch als Ministerin nicht attraktiv. Das würde ich nicht machen.

STANDARD: Sie würden dann also als Ministerin zurücktreten?

Schmied: Also das - mein Rücktritt - wäre dann die Konsequenz.

STANDARD: Was wären die konkreten Folgen, wenn die zwei zusätzlichen Unterrichtsstunden nicht kämen?

Schmied: Wir könnten alle unsere Vorhaben wie kleinere Klassen, Deutschförderkurse, Tagesbetreuung, Neue Mittelschule, auch die Pläne für das mittlere Schulmanagement nicht umsetzen. Das heißt, wir gehen zurück zum Stand 2006 und kündigen Lehrer.

STANDARD: Erklären Sie bitte, wie das geht, wenn künftig ein Lehrer zwei Stunden mehr unterrichten muss, dass dann kein anderer, der diese zwei Stunden jetzt unterrichtet, seinen Job verliert.

Schmied: Das ist so zu erklären, dass wir in der Bildung einen offensiven Reformkurs fahren wollen. Wir wollen die Klassen weiter verkleinern, im berufsbildenden Schulwesen den Kleingruppenunterricht machen, die Tagesbetreuung ausbauen, mehr Förderkurse anbieten, auch damit die Eltern nicht mehr so viel Geld für Nachhilfe ausgeben müssen. All das braucht Personal. Daher kann ich in Verbindung mit der Unterrichtsverpflichtung allen Lehrern sagen, ihr Arbeitsplatz ist durch diese Maßnahme nicht gefährdet. Er wäre dann gefährdet, wenn wir 180 oder 345 Millionen Euro einsparen müssten. Denn dann müssten wir Maßnahmen zurücknehmen und Lehrer aus dem System nehmen. Zudem setze ich mich ja auch ein für Karrieremöglichkeiten für Lehrer und ein neues Dienst- und Besoldungsrecht, wo wir wegkommen vom Denken und Rechnen in Stunden und Minuten. Wir stehen vor einer großen Pensionierungswelle. 50 Prozent der Lehrer werden in den nächsten zehn bis 15 Jahren in Pension gehen.

STANDARD: Die Lehrergewerkschafter werfen Ihnen besonders vor, dass sie für Ihr "Steckenpferd" , die Neue Mittelschule, zahlen sollen.

Schmied: Die Neue Mittelschule ist sicher kein Hobby von mir, sondern sie passiert im Interesse der Kinder und Eltern. Und die sind begeistert von diesem Modell. Im September 2009 werden wir über 240 Standorte haben. Und um die Finanzgrößen in die richtige Relation zu bringen: Die Neue Mittelschule wird im Budgetjahr 2009 sieben Millionen Euro kosten, und im Budgetjahr 2010 19 Millionen. Die Neue Mittelschule ist also nicht der Kostentreiber, der zu diesem Finanzbedarf führt.

STANDARD: Hat sich Ihre Leidensgenossin Elisabeth Gehrer schon bei Ihnen gemeldet mit einem Knigge für den richtigen Umgang mit Lehrergewerkschaftern?

Schmied: Nein, Elisabeth Gehrer noch nicht, aber einige Finanzminister vorhergehender Regierungen, die gesagt haben:"Das wollten wir eigentlich schon machen." (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, 4.3.2009)