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"Hereinspaziert" - ukrainische Einsatzkräfte in voller Montur besetzten die Zentrale von Naftogaz.

Foto: AP

Kiew/Moskau - Auf die in der Ukraine für Konzernfremde übliche Anmeldeprozedur verzichteten die Männer in Sturmhauben kurzerhand. Die Sperren in der Empfangshalle des staatlichen Energiekonzerns Naftogaz in Kiew wurden von den etwa 20 Kämpfern der "Alfa" -Einheit im Sprung genommen. Mit Maschinenpistolen in der Hand stürmten die schwarz gekleideten Elitekräfte die Treppen zur Buchhaltung hoch.

Ihr Ziel, so ein Naftogaz-Sprecher, waren die Originalverträge mit dem russischen Gasmonopolisten Gazprom, die nach dem schweren Gaskonflikt zu Jahresbeginn zwischen Kiew und Moskau geschlossen worden waren. Am Mittwochabend hieß es aber, die Verträge seien weiter bei Naftogaz.

Stunden später zeigte der Inlandsgeheimdienst SBU wenig Verständnis für die Aufregung über den überfallartigen Einsatz. Es handle sich um einen "üblichen Ermittlungseinsatz" im Rahmen eines Strafverfahrens, sagte ein SBU-Sprecher in Kiew. Es gehe um die Unterschlagung von Gas.

Die Ukraine kommt auch nach der Totalblockade der Gas-Transitstrecke in Richtung Europa nicht zur Ruhe. Der Dauer-Machtkampf zwischen Präsident Viktor Juschtschenko und Regierungschefin Julia Timoschenko zieht zunehmend staatliche Institutionen ins Chaos. Während der Inlandsgeheimdienst SBU dem Präsidenten nahe steht, unterhält der nationale Energieversorger Naftogaz enge Verbindungen zur Timoschenko-Mannschaft. Auch deshalb sorgte die jüngste Gas-Einigung Timoschenkos mit Russland viel böses Blut im ukrainischen Präsidentenamt.

Vor allem in Moskau blickt man beunruhigt auf die Vorkommnisse in der Konzernzentrale des Geschäftspartners Naftogaz in Kiew. Bis zum kommenden Wochenende muss Naftogaz für den Februar-Verbrauch umgerechnet 315 Mio. Euro an den Monopolisten Gazprom überweisen. Obwohl der ukrainische Energieversorger angesichts der Finanzkrise im eigenen Land äußerst klamm ist, hatte sich Gazprom noch zu Wochenbeginn zuversichtlich darüber gezeigt, dass man sich dieses Mal gütlich mit den Ukrainern einigen werde. Da allerdings ahnte noch niemand etwas von der bevorstehenden Sturmhauben-Attacke auf die Naftogaz-Zentrale. (dpa, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 05.03.2009)