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Demonstration gegen die Anklageerhebung in Khartum

Foto: Reuters/Mohamed Nureldin Abdallah

Khartum/Nairobi - Der internationale Haftbefehl gegen Sudans Präsident Omar al-Bashir war erst Minuten alt, da trat ein Vertrauter al-Bashirs, Mustafa Ismail, vor die Presse und lehnte die Entscheidung wie erwartet ab. "Der Internationale Strafgerichtshof ist ein Mechanismus des Westens, um freie und unabhängige Länder zu unterdrücken" , so Ismail. "Die wollen offenbar nicht, dass die Lage im Sudan sich stabilisiert."

Währenddessen sammelten sich bereits tausende Demonstranten in den Straßen von Khartum, um gegen die Entscheidung zu protestieren. In Sprechchören kündigten die Demonstranten an, al-Bashir mit Seele und Blut zu verteidigen.

In einer ersten Reaktion ließen die sudanesischen Behörden sechs Hilfsorganisationen, darunter Oxfam, schließen. Laut Oxfam-Sprecher Alun McDonald sind allein von der Schließung von Oxfam 600.000 Hilfsbedürftige betroffen.

Die Stimmung unter den Ausländern in Khartum ist bereits seit Tagen angespannt. Als besonders gefährdet gelten Vertreter der UN, die 26.000 Blauhelmsoldaten im Südsudan und in Darfur stationiert hat. Man sei auf alles vorbereitet, erklärte Unamid-Sprecher Noureddine Mezni, werde ansonsten aber die Normalität wahren. "Wir werden unsere täglichen Aufgaben erfüllen und unsere Präsenz in den Vertriebenenlagern erhöhen."

Rebellen der "Bewegung für Gleichheit und Gerechtigkeit" (JEM) warnten, Sudans Regierung habe ihre Volksmiliz mobilisiert, um über Ausländer und Liberale herzufallen. "Eine spontane Äußerung von Volkswut im Sudan gibt es nur, wenn al-Bashir und seine Helfershelfer sie selbst in Gang setzen" , ärgerte man sich in Den Haag noch unmittelbar vor dem Spruch.

Rebellen wollen kooperieren

Darfur-Rebellen, gegen die der Internationale Strafgerichtshof ebenfalls ermittelt, gaben sich am Mittwoch weltmännisch. "Wir werden selbst eng mit dem Strafgerichtshof zusammenarbeiten und uns stellen, wenn wir dazu aufgefordert werden" , sagt etwa ein Anführer der "Vereinten Widerstandsfront", Tag el Din al-Bashir. Die JEM - die einzige Rebellenbewegung, die derzeit mit al-Bashirs Regierung über einen Frieden verhandelt - drohte an, al-Bashir notfalls mit Gewalt auszuliefern.

Doch nicht nur in Darfur könnten sich die Fronten verhärten. Die UN warnen davor, dass sudanesisch aufgerüstete, tschadische Rebellen sich an der Grenze zum westlichen Nachbarland sammeln. Die Befürchtung ist groß, dass sie von Khartum auf Rachefeldzug geschickt werden. Auch im Süden, wo Sudans Regierung seit Monaten Milizen aufrüstet, die im Vorfeld geplanter Wahlen gegen die "Sudanesische Volksbefreiungsarmee" kämpfen sollen, ist die Anspannung groß. Während sich deren Chef Salva Kiir formal auf die Seite al-Bashirs stellt, befürchten viele, dass Khartum den Notstand ausrufen und versuchen könnte, die Ölquellen im Süden zu erobern.

Al-Bashir muss indes um seine Unterstützer in den eigenen Reihen fürchten. Auch in der Regierungspartei gibt es Kritiker, die ihn am liebsten loswerden würden. Über eine Palastrevolution, die die herrschende Elite an der Macht halten würde, wird in Khartum schon seit Monaten spekuliert. (Marc Engelhardt/DER STANDARD, Printausgabe, 5.3.2009)