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Seit Dienstag erneut vor Gericht: Dem Exchef des russischen
Ölkonzerns Yukos, Michail Chodorkowski, der bereits eine achtjährige Haftstrafe verbüßt, drohen weitere bis zu 22,5 Jahre Gefängnis.

Foto: Reuters/Sergei Karpukhin

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Rund ein Dutzend Demonstranten protestierten vor dem Gericht in Moskau für seine Enthaftung.

Foto: AP/Ivan Sekretarev

Moskau - "Schande!" ruft der hagere Mann mit den kurzgeschorenen weißen Haaren, als er von den Polizisten in das Moskauer Chamownitscheski-Gericht geführt wird. Vor einem Gittertor drängen sich zahlreiche Fotografen und Kamerateams, denen jedoch der Zutritt zum Gerichtssaal verwehrt wird. Die Vorverhandlungen im zweiten Strafprozess rund um den früheren Öl-Magnaten Michail Chodorkowski finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Seit 1955 Tagen sitzt der ehemalige Chef des einst größten Ölkonzerns bereits in Haft. Die meiste Zeit davon im sibirischen Tschita an der Grenze zu China. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Platon Lebedew muss sich Chodorkowski nun erneut vor Gericht verantworten. Staatsanwalt Dmitri Schochin, der die Anklage schon beim ersten Prozess vertrat, wirft dem 45-Jährigen die Unterschlagung von insgesamt 900 Milliarden Rubel (19,8 Milliarden Euro) und die Geldwäsche von 500 Milliarden Rubel vor. Chodorkowski drohen im schlimmsten Fall weitere bis zu 22,5 Jahre Haft.

Der Prozess wird von Beobachtern auch als Test für Präsident Dmitri Medwedew gesehen. Medwedew, der selbst Jurist ist, hat sich wiederholt gegen den Rechtsnihilismus in Russland ausgesprochen. Die großen Hoffnungen, die Chodorkowskis Familie in den liberaleren Nachfolger von Wladimir Putin gesetzt hatte, wurden allerdings bereits einmal enttäuscht. Im August und im Oktober 2008 wurde der Antrag auf vorzeitige Haftentlassung, die in Russland bei guter Führung nach dem Absitzen der Hälfte der Haftstrafe üblich ist, abgelehnt.

Ein Jahr nach der Wahl Medwedews zum Präsidenten zeigt sich jedoch immer mehr, dass im russischen Führungstandem Putin weiterhin den Ton angibt. Laut jüngsten Umfragen glauben nur zwölf Prozent der russischen Bevölkerung, dass Medwedew tatsächlich die Macht in Händen hält. Russische Beobachter halten es daher für unwahrscheinlich, dass die Anklage gegen den ehemals reichsten Russen fallen gelassen wird.

Und das, obwohl die Vorwürfe in den Augen der Verteidiger und vieler Beobachter absurd klingen: Demnach hätte Chodorkowski mehr Geld stehlen müssen, als Yukos zum damaligen Zeitpunkt verdiente. (Verena Diethelm aus Moskau, DER STANDARD, Printausgabe, 4.3.2009)