Jerusalem - Israels designierter Ministerpräsident Benjamin Netanyahu will nach Angaben seines Vertrauten, des Likud-Abgeordneten und ehemaligen Außenministers Silvan Shalom, die Friedensgespräche mit den Palästinensern fortsetzen. Bei einem Treffen mit US-Außenministerin Hillary Clinton werde Netanyahu am Dienstag erklären, dass er auch zu "politischen Verhandlungen" bereit sei, sagte Shalom am Dienstag dem israelischen Armeerundfunk.

Likud-Chef Netanyahu lehnt nach eigenem Bekunden eine Zwei-Staaten-Lösung ab und hat die Gespräche mit den Palästinensern bisher als Zeitverschwendung abgetan. An dieser Haltung scheiterten auch seine Pläne, die gemäßigtere Kadima-Partei und die Arbeitspartei für eine breite Regierungskoalition zu gewinnen; damit ist er jetzt auf eine Koalition mit den ultrarechten und religiösen Kräften angewiesen.

Clinton in Israel

Clinton traf am Montagabend zu ihrem ersten Besuch als US-Außenministerin in Israel ein. Zuvor hatte sie im ägyptischen Badeort Sharm el-Sheikh an einer internationalen Geberkonferenz für den Wiederaufbau des zerstörten Gazastreifens teilgenommen. Dabei hat sie deutlich gemacht, dass die neue Regierung in Washington anders an den israelisch-palästinensischen Konflikt herangeht als die Vorgängerregierung unter George W. Bush. Im Gegensatz zu ihrer Amtsvorgängerin Condoleezza Rice nahm Clinton am Montag in ihrer Rede nicht ein einziges Mal das Wort "Terrorismus" in den Mund. Als Ziel nannte sie einen eigenständigen und lebensfähigen palästinensischen Staat.

Die US-Forderung nach einer Zwei-Staaten-Lösung hat Clinton auch am Dienstag bekräftigt.
Nach einem Treffen mit dem israelischen Staatspräsidenten Shimon Peres verwies sie zudem auf die anhaltende Unterstützung der USA für die Regierung des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas im Westjordanland. Gleichzeitig betonte Clinton, die USA respektierten den demokratischen Prozess in Israel und würden jeder neuen Regierung zur Seite stehen. Beide Staaten seien nicht nur durch "gemeinsame Interessen, sondern durch gemeinsame Werte" verbunden.

Benjamin Netanyahu auf Kurs

Peres äußerte nach dem Treffen mit Clinton die Überzeugung, der designierte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu werde die Gespräche mit den Palästinensern fortsetzen und fühle sich den bisherigen Vereinbarungen verpflichtet. Bisher hat Netanyahu eine Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern abgelehnt und angekündigt, im Widerspruch zu den Forderungen des internationalen Nahost-Quartetts an der umstrittenen Siedlungspolitik im Westjordanland festhalten zu wollen. Wegen seiner Intransigenz schlugen die Bemühungen des Likud-Chefs fehl, die gemäßigtere Kadima-Partei und die Arbeiterpartei für eine breite Regierungskoalition zu gewinnen. Damit ist er auf eine Koalition mit den ultrarechten und religiösen Parteien angewiesen.

Am Dienstag ist noch ein Besuch bei der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geplant. Danach trifft Clinton mit ihrer Amtskollegin Tzipi Livni zusammen, Verteidigungsminister Ehud Barak und dem mit der Regierungsbildung beauftragten Likud-Chef Benjamin Netanyahu. Zum Abendessen trifft sie den scheidenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert.

Wenige Stunden vor der Ankunft der US-Außenministerin wurde in Jerusalem bekannt, dass Israel die Siedlerzahl im besetzten Westjordanland nahezu verdoppeln will. Diese Pläne verstoßen gegen den Friedensfahrplan ("Roadmap") des Nahost-Quartetts ebenso wie gegen die israelisch-palästinensischen Abmachungen der Annapolis-Konferenz, die von den Vereinigten Staaten organisiert worden war. Auch die USA haben von Israel einen Stopp des Siedlungsbaus verlangt. (APA/AP/AFP)