Eine verschlafene Vinothek in Wien-Mariahilf widmet sich den Köstlichkeiten der kalabrischen Arme-Leute-Küche. Joachim Egger (rechts) hinter der Budel seiner "Vinoteca Tropea", die in Sachen Spezereien von der Stiefelspitze beachtlich gut sortiert ist.

Foto: Gerhard Wasserbauer
Foto: Gerhard Wasserbauer

Eigentlich ist Joachim Egger EDV-Spezialist. Seit Anfang des Jahres aber trifft man ihn weniger am Computer als hinter der Budel einer Vinothek in der Hofmühlgasse. Normalerweise würde er um diese Zeit in seiner Wohnung in der Hafenstadt Tropea, ganz unten am Rist des italienischen Stiefels sitzen, das milde Licht des Winters genießen und den Resten griechischer, sarazenischer und normannischer Kulturen in den umliegenden Bergdörfern nachspüren - wenn er nicht gerade seinen Kunden im düsteren Österreich via ADSL-Verbindung beisteht.

So ging das die vergangenen sechs Jahre, mit Unterbrechungen von jeweils einigen Monaten, in denen er sein Wissen am Wifi als Lehrer weitergab. Bis ihm, wie er sagt, die Qualität der kalabrischen Lebensmittel jetzt einen Strich durch diesen beneidenswerten Lebensentwurf machte: "Irgendwann kam das Bedürfnis, das mit Freunden und Bekannten zu teilen." So übernahm er die kleine Vinothek, deren Vorbesitzer er immer wieder Öl und andere Essentials von daheim mitgenommen hatte, Ende vergangenen Jahres selbst.

In frische Zwiebeln beissen

Da serviert und vertreibt er jetzt, was er in Tropea lieben gelernt hat: Allerhand Schinken und Würste wie die weiche N'duja, jene sagenhaft scharfe, bis zur Streichfähigkeit fette Schweinskopf-Salami, die man in Kalabrien zu fast allem kombinieren kann: pur aufs geröstete Brot geschmiert, in die Pasta gerührt, sogar zu Thunfisch. Außerdem diverse Sorten Fileja, die lokale, handgemachte Pasta, die an gewuzelte Lasagneblätter erinnert, verschiedene Salse und Sughi, zart süsse Marmelade aus den milden, roten Zwiebeln von Tropea.

Die Zwiebeln sind in Italien dafür berühmt, dass sie sich "wie Äpfel" essen lassen, einfach reinbeissen und mmh! Zur Erntezeit will Egger stets ein paar Zöpfe vorrätig haben. Olivenöl gibt es in verschiedenen Gebinden und Qualitäten, für Heavy User stehen auch 5-Liter-Kanister aus biologischem Anbau bereit.

Handwerkliche Qualität

Die Käse der Region sind im Wesentlichen aus Schafsmilch. Egger bietet klassisch gereiften Pecorino, aber auch butterige Schnittkäse mit Oliven oder Peperoncino als Einlage, oder, besonders würzig, geräucherte und gereifte Ricotta. Das Meiste überzeugt durch schiere handwerkliche Qualität, auch das Brot, das Egger mehrmals die Woche bäckt. Die Stars des Antipasti-Tellers (eigentlich eine Abfolge mehr oder weniger großer Teller und Schüsselchen) aber sind die von Hand eingelegten, selbst gezogenen Gemüse, die Egger diversen Mammas von Bekannten abkauft.

Melanzani und Zucchini in verschiedenen Variationen, mit Öl, Essig und Aromaten (wilder Fenchel!) auf immer wieder verblüffende Weise zu Delikatessen veredelt, winzige schwarze Oliven, selbst eingesalzene Kapern, Wildpilze, Sardellen undsoweiter. Die Pasta (täglich zwei Varianen) ist einfach und gut, Fileja mit Tomaten und pikanter Wurst etwa, Pasta al forno oder scharf und cremig mit N'duja und frischer Ricotta.

Dazu steht ein gutes Dutzend durchaus interessanter, lokaler Weine zur Auswahl - wer unbedingt einen Soave braucht, wird aber auch glücklich. (Severin Corti/Der Standard/rondo/27/02/2009)