Love Is All: "A Hundred Things Keep Me Up At Night"
Meine aktuelle Lieblingsplatte kommt aus Göteborg und ihr Sound aus der Zeitmaschine, Einstellung: 30 years ago. Überschnappender New Wave-Punk mit einem Saxophon, das quiekend und trötend versucht, Sängerin Josephine Olausson in Sachen gekonnte Notenverfehlung zu überholen. Die X-Ray Spex sind wiederauferstanden! (und eine Zuckerglasur Haysi Fantayzee glitzert obendrauf ...) Mit "Give It Back", "Movie Romance", "Wishing Well" usw. usf. jagt ein Hammerl das andere. Und alle, die so wie ich Love Is All bislang nicht kannten, kaufen sich am besten auch gleich das 2006er Album "Nine Times That Same Song", das ist nämlich fast genauso gut. (What's Your Rupture?/Import)

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Love Is All

Coverfoto: What's Your Rupture?

Luise Pop: "The Car The Ship The Train"
Eine Freundin von mir träumte immer davon, eine Frauenband mit männlichem Sänger zu gründen, Anti-Blondie gewissermaßen. Das haben nicht einmal die Feminist Terrorists Vera Kropf (Saiten) und Lisa Berger (Tasten; beide am Mikro) verwirklicht, aber männlichen Backgroundgesang spielt's schon mal. Das zentrale Wort für das Wiener Trio (komplettiert mit Andreas Spechtl am Schlagzeug) ist: Eleganz. Was rein gar nichts mit Mode zu tun hat, sondern 1) damit, dass hier kein Gramm Soundfett zuviel drauf ist und 2) mit der richtigen Balance zwischen Engagement und Distanziertheit. Für beides war Wave-Pop die ideale Wahl, da ist die Coolness schließlich schon eingebaut. Selten versucht in Österreich und hier wirklich gut umgesetzt - Albumpräsentation am 5. März in der Wiener Fluc-Wanne! (Asinella Records/Hoanzl)

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MySpace-Seite von Luise Pop

 

Coverfoto: Asinella Records

Kreisky: "Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld"
Und noch einmal Österreich, diesmal aus der Testosteron-Perspektive. Wenn larmoyantes Quengeln (Wann sind wir endlich daheeeiiim?!?) nahtlos in die Urschreitherapie übergeht, steckt zwangsläufig Kreisky dahinter. Das kommende Album, das am 27. März unter einem katholischen Scheusälchen von Titel erscheint, ist noch besser als sein Vorgänger geworden. Und enthält mit grindigen Szenarios wie dem von König und Königin von Bibione oder Grabinschriften für Beziehungen à la Seit du fort bist, ist mein Asthma so gut wie verschwunden einige echte Perlen. (Wohnzimmer/Hoanzl)

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Kreisky

Coverfoto: Wohnzimmer

Agaskodo Teliverek: "Psycho Goulash"
Nach 30 Jahren Anything Goes kommt immer noch mal eine Platte daher, zu der man die verinnerlichten Großeltern stöhnen hört: Das ist doch keine Musik mehr. Yet it is! Und gute noch dazu: Beim ungarisch-japanisch-britischen Quartett aus London clashen Pizzicato-Saitengezupfe, brachiale Rockeinschübe und auf Speed gesetzter Balkan-Jazz aufeinander. Und Sängerin Hiroe Takei verleiht dem Ganzen mit ihrem Akzent dieselbe außerirdische Note, wie's Satomi Matsuzaki bei Deerhoof tut ... sie kann aber auch keifen und kreischen wie eine Furie. Nervenzerfetzend und großartig! (Midfinger Records/Audioglobe)

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MySpace-Seite von Agaskodo Teliverek

 

Coverfoto: Midfinger Records

Antennas: "Feeling Feline Tonight"
Noch einmal Schweden, diesmal mit einem spürbar kalkulierteren Exportartikel. Was die Landsmänner The Ark im Rock vorgemacht haben, leisten die Antennas für den Neo-80er-Pop: Nämlich dem gewählten Genre einen Schuss Operettenpathos hinzuzufügen, dafür sorgt hier die Stimme von Christian Björkman. An dieser Stelle sei eingeflochten, dass Alphaville ("Big in Japan") in Schweden sehr, sehr, sehr viel länger populär blieben als bei uns. Die Antennas erden den Synthie-Dance-Sound allerdings mit Gitarren und einem prominenten Bass. Wie organisch das live rüberkommt, wird die Österreich-Tour Ende März/Anfang April zeigen, Daten siehe Website. (schoenwetter schallplatten/Hoanzl)

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Antennas

Coverfoto: Novoton/schoenwetter schallplatten

Telepathe: "Dance Mother"
Wieder so ein Album, zu dem mir die Zeile von 2raumwohnung einfällt: Sie hat ein paar von ihren neuen Freunden gefragt, die nahmen sie in ihre Studios mit / Der von der Plattenfirma sagte: Ich hör keinen Hit. Das ist aber auch schon das einzige Manko an "Dance Mother", denn der Grundsound stimmt: Die Wee Papa Girl Rappers treffen Human League und begehen mit nobler Zurückhaltung 10 Jahre Electroclash. Produktionstechnisch unter die Arme gegriffen hat dem New Yorker Frauenduo Melissa Livaudais und Busy Gangnes David Sitek von TV On The Radio. Jetzt noch ein Song als Zündfunke ... wie schnell dann alles weitergehen kann, zeigten 2008 Polarkreis 18 mit ihrem rasanten Aufstieg vom Geheimtipp zum europaweiten Hitparadenstürmer. (V2/Universal)

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MySpace-Seite von Telepathe

Coverfoto: V2/Universal

Faust: "C'est Com...Com...Complique"
59 Minuten wabernder Krautrock von der großen Avantgarde-Formation aus dem Norden Deutschlands. Auf "C'est Com...Com...Complique" warten Zappi Diermaier & Co nicht nur mit Akkorden auf, die so lange im Raum stehen, bis die nächste Kontinentaldrift vorbei schaut, dazwischen sind auch kurze und geradezu schunkelige Stücke wie "Petits sons appétissants" und - jetzt wird's wirklich süß - "Lass mich, version originale" eingestreut. Überhaupt fließt das Album bemerkenswert leicht ins Ohr. Vielleicht auch deshalb, weil es mit Unterstützung von Produzent Tobias Levin (Kante, Jens Friebe, The Robocop Kraus) aufgenommen wurde, der hatte ja schon immer ein begnadetes Händchen. (Bureau B/Hoanzl)

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Faust Pages

Coverfoto: Bureau B

Empire of the Sun: "Walking On A Dream"
Aus gegebenem Anlass noch mal "Lovers", das erste Album von Luke Steeles älterem Projekt The Sleepy Jackson, hervorgekramt. Das stand zwar noch eher in einem Rock-Kontext, verbreitete aber bereits ansatzweise die nun mit Empire of the Sun zur Vollendung gebrachte fette, faule Nachmittagsstimmung. Im Nachhinein erweist sich das abwechslungsreiche "Lovers" damit als Soundlabor: Die ravigen Aspekte sind die Gewinner der Auslese, wurden weiter ausgedünnt und in einen flächigen elektronischen Faserschmeichler-Sound verwandelt. Sehr eingängig, sehr laid back: MGMT im Liegestuhl. (Virgin/EMI)

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Empire of the Sun

Coverfoto: EMI

Black Eyed Dog: "Rhaianuledada (Songs To Sissy)"
Lange schon keine italienische Platte mehr gehört, aber hier ist eine gute: Ob Piano & Akkordeon, Gitarre & Mundharmonika oder Klarinette & Mandoline - mit geringem Aufwand erreicht Fabio Parrinello alias "Black Eyed Dog" höchste Intensität, egal ob er in düsterer Stimmung ist (this razorblade I'm holding feels like a friend), liebesbedürftig (fuck me, I'm a virgin inside) oder n-o-c-h liebesbedürftiger (all the beautiful girls in the world can all go to hell, I got you in. marry me! marry me! marry me!). Nicht von ungefähr hat sich Raukehlchen Fabio für sein "Band"-Pseudonym bei einem Songtitel von Nick Drake bedient. (Ghost Records/Cargo)

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MySpace-Seite von Black Eyed Dog

Coverfoto: Ghost Records

Marion Maerz: "Burt Bacharach Songbook"
Bureau B, das uns im Vorjahr die Wiederentdeckung von Heidelinde Weis bescherte, hat ein weiteres vergessenes Artefakt freigelegt: Auf dem ursprünglich 1971 veröffentlichten Album coverte Schlagersängerin Marion Maerz 12 Bacharach-Klassiker. Die Übertragungen ins Deutsche fielen teils direkt ("Warten und Hoffen"/"Wishin' And Hopin'"), teils mit freimütigen Mutationen aus ("Trains & Boats & Planes" wird zu "Frag doch nur dein Herz"). Die Arrangements spiegeln den Unterschied zwischen 60ern und 70ern wider: Der perfekt austarierten Eleganz der Originale wird ein Schlagergewändchen mit dem entscheidenden bisschen mehr Glitzer und Plüsch umgehängt ... doch das ist ja auch schon wieder bezeichnend: Was waren das für Zeiten, als sich der deutsche Schlager noch nicht an volksdümmlicher Stadelmusik orientierte, sondern an B-U-R-T B-A-C-H-A-R-A-C-H!!! (Bureau B/Hoanzl)

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MySpace-Seite von Marion Maerz

Coverfoto: Bureau B