Wien/Brüssel - Werner Faymanns wahrscheinlicher Verzicht auf den Posten des EU-Kommissars wollen immer weniger Genossen einfach so hinnehmen. Nun wehrt sich auch die SPÖ-Sektion in Brüssel dagegen, dass der Kanzler und Parteivorsitzende den prestigeträchtigen Job einfach der ÖVP überlassen möchte.

In einem Protestbrief, der dem Standard vorliegt, erklärt Herwig Kaiser, auch Vize-Generalsekretär der Europäischen SP-Fraktion, im Namen des Vorstands der Brüsseler Sozialdemokraten "in großer Sorge" , warum diese es "für schlicht und einfach nicht richtig" halten, dass der Kommissar "ohne Bedeutung für die jeweilige Innenpolitik" sei.

Mithilfe eines halben Dutzends Fragen ersucht die Sektion "die Mitglieder des Bundesparteivorstandes" in Wien "um Unterstützung" bei ihrem Anliegen. "Würde die SPÖ nicht riskieren, das Image einer europafeindlichen Partei zu bekommen und auf jenes einer kritisch-konstruktiven verzichten?" , bohrt man etwa bei Faymann und Co nach. Um gleich darauf selbst die Antwort zu liefern: "Abgesehen davon, dass es (...) Brauch ist, den Kommissar von der jeweils stärksten Partei (...) benennen zu lassen und dass die SPÖ seit 1995 der ÖVP regelmäßig den Vortritt gelassen hat, geht es nicht nur um Grundsätzliches, sondern auch um die Wirkung auf die Wähler bei den Wahlen zum Europaparlament."

Hinter der Epistel stecken mehr als dreißig rote Mitarbeiter des EU-Parlaments, der -Kommission sowie des -Rates, bestätigt EU-Parlamentarier Hannes Swoboda, der selbst lange als Anwärter für den Kommissar galt und auch im Vorstand der Brüsseler Sektion sitzt.

Bei der Formulierung des Briefes war er aber nicht dabei, wie er betont: "Daher will ich mich weder identifizieren noch distanzieren." Denn: Falls seine Kollegin Maria Berger, Ex-Justizministerin, nun SPÖ-Delegationsleiterin im EU-Parlament, als Richterin an den Europäischen Gerichtshof wechsle, sollte man sich, meint Swoboda - ganz auf Wiener Linie -, "nicht länger auf die eine Funktion versteifen" . (Nina Weißensteiner/DER STANDARD Printausgabe, 28. Februar/1. März 2009)