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PC-Hersteller, Diskonter, Mobilfunker - alle mischen am Netbook-Markt mit.

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Das Netbook ist quasi zum Maskottchen der Finanzkrise geworden. Die günstigen Geräte haben einen Boom hervorgerufen, mit dem in den vergangenen Jahren wohl niemand gerechnet hätte. Denn mit der Entwicklung des 100-Dollar-Latops hatte Mary Lou Jepsen ursprünglich nicht im Sinn, den gesamten Notebook-Markt umzukrempeln. Die LCD-Designerin wollte eigentlich nur einen kleinen Rechner schaffen, der Kindern in Entwicklungsländern besonders günstig zur Verfügung gestellt werden kann, wie sie im Interview mit Wired erklärte. Mittlerweile ist jedoch die gesamte PC-Industrie auf das Konzept aufgesprungen.

Form follows function

Das Design des XO ist an den Bedingungen orientiert, unter denen er vorrangig eingesetzt werden soll - "form follows function". Da eine herkömmliche Festplatte - vor allem in ungestümen Kinderhänden - zu fehleranfällig ist, entschied sich Jepsen für einen robusten Flash-Speicher. AMDs Geode-Prozessor drosselt zwar die Performance, verbraucht aber besonders wenig Strom - was in schlecht mit Elektrizität versorgten Gebieten wichtig ist. Das Display ist ebenfalls ganz auf möglichst geringen Stromverbrauch ausgerichtet und der Einsatz von Open Source-Software senkt den Preis. Letztendlich konnte Nicholas Negropontes Projekt "One Laptop Per Child" den anvisierten Preis von 100 US-Dollar zwar noch immer nicht erreichen. Mit 199 Dollar ist der Mini-Laptop aber dennoch deutlich billiger als andere Rechner.

Eee PC brachte Geschäft in Rollen

Auch Asus wollte mit dem ersten Eee PC, der 2007 auf den Markt kam, ursprünglich eine andere Zielgruppe ansprechen - Kinder, Senioren und Entwicklungsmärkte wie China oder Indien. So war der erste Eee PC nur mit einem 7-Zoll-Display und 4 GB Flash-Speicher ausgestattet. Gekauft wurde die erste Generation allerdings nicht von der anvisierten, ärmeren Zielgruppe, sondern von Bürgern der USA und Europa, die sich zu ihrem normalen PC oder Laptop noch ein kleineres, mobiles Zweitgerät wünschten. Der Erfolg des Eee PC entfachte in der Branche einen Flächenbrand. Mittlerweile haben die meisten PC-Hersteller eigene Serien auf den Markt gebracht.

Hofer-Netbook

Jepsens Vorgaben des reduzierten Hardware-Umfangs wurden von den Herstellern angepasst. Aktuelle Netbooks sind besser ausgestattet als ihre Vorfahren, bieten aber immer noch deutlich weniger als normale Laptops. Besonders beliebt sind Netbooks bei Diskontern. Ab 5. März hat Hofer etwa wieder ein Netbook um 349 Euro im Angebot. Das Neo von Chilligreen bietet mit 1,6 GH-Atom-Prozessor von Intel, 1 GB Arbeitsspeicher, Windows XP Home und einem 10-Zoll-Display die aktuelle Durchschnittsausstattung eines Netbooks. Auch Provider haben die Geräte für sich entdeckt und bieten sehr günstig oder kostenlos in Verbindung mit einem Datentarif an. T-Mobile stockt sein Netbook-Angebot in den kommenden Wochen um das Asus 1000H GO und das HP Mini 702 EG auf (der WebStandard berichtete).

Ab in die Wolke

Ressourcenintensive Programme wie Photoshop können auf den Mini-Rechnern nicht genutzt werden. Aber das ist offenbar auch nicht der Anspruch der meisten Kunden. Viele wünschen sich einfach ein Gerät, mit dem sie unterwegs E-Mails schreiben, Bloggen oder Neuigkeiten in den Communities diverser Social Networks abrufen können. Die Netbook-Manie ist auch Ausdruck eines weiteren Trends - immer mehr Anwendungen werden ins Internet ausgelagert. Google Docs bietet beispielsweise alle Funktionen von Textverarbeitungsprogrammen, die Software muss allerdings nicht mehr am Rechner gespeichert werden.

7 Prozent des Notebook-Marktes

Das Netbook-Phänomen ist mit dem bisherigen Trend zu immer besser ausgestatteten Geräten, die mehr können, eigentlich nicht vereinbar. Es scheint aber, dass die Konsumenten derzeit lieber zu weniger umfangreich ausgestatteten Geräten greifen. "Wir haben damit begonnen, Technologie für den Grund der Pyramide zu entwickeln. Aber die Spitze der Pyramide will sie ebenfalls", stellt Jepsen fest. Mittlerweile machen die Netbooks bereits 7 Prozent des Laptop-Marktes aus. Bis Ende 2008 wurden insgesamt rund 15 Millionen Geräte verkauft.

Aufrüsten

Trotz des Netbook-Mantras "weniger ist mehr", beginnen die Hersteller nun aber ihre Geräte wieder mit umfangreicheren Features auszustatten. So hat Dell das Inspiron Mini 10 bereits in der Basis-Ausführung mit einem HDMI-Anschluss ausgestattet und will in Zukunft optionale Features wie GPS, 2 GB Arbeitsspeicher, UMTS und bis zu 250 GB Speicher anbieten (der WebStandard berichtete). Ob die Konsumenten die sukzessive Aufrüstung der Netbooks goutieren wird sich anhand der Verkaufszahlen zeigen. Fest steht aber, dass die Hardware einen anderen Stellenwert hat als noch vor wenigen Jahren. Im Vordergrund steht heute nicht mehr, was man theoretisch mit einem Gerät machen kann, sondern was Nutzer damit wirklich tun. (br)