In der Strafanstalt für Frauen in Schwarzau können Insassinnen in den Gefängniswerkstätten, etwa in der Näherei, arbeiten. Einmal pro Woche gibt es auch einen Freizeitprogrammpunkt: Theaterspielen.

Foto: Standard/Regine Hendrich

Schwarzau - Es ist einer dieser Wintertage, an denen der Glaube daran, dass der Frühling bald kommt, leichter fällt. Die Sonne durchbricht immer wieder die Wolken, lässt die Gitterstäbe graue Striche auf den Zellenboden werfen.

Sara* blinzelt ins Licht. Wegen Körperverletzung mit Todesfolge sitzt sie, erzählt die 31-Jährige. "Er war mein Mann", sagt sie und presst die Lippen zusammen. In dem weißen Kittel, den sie für die Arbeit in der Gefängnisküche trägt, sieht sie aus wie eine Krankenschwester. Sieben Jahre ist sie in Haft, etwa zwei davon sind abgesessen. Wenn Sara freikommt, werden ihre Söhne fünfzehn und zehn Jahre alt sein.

Die Zeit bis dahin ist viel zu lang. Da nützt auch ein bisschen Theater nichts. Doch es gefällt ihr, einmal in der Woche in eine Rolle zu schlüpfen, es bedeutet Ablenkung.

Seit März 2007 gibt es im einzigen Frauengefängnis Österreichs in einem ehemaligen Schloss im niederösterreichischen Schwarzau eine Theatergruppe. Regisseurin Tina Leisch war neugierig auf "Theater hinter Gittern", wie sie selbst sagt, und fragte bei verschiedenen Justizanstalten an, ob sie ein Stück mit den Insassen einstudieren dürfe. Aus Kulturtöpfen kratzte sie Geld zusammen. Am Dienstag wurde bekannt, dass auch der Filmfonds die Herstellung der Doku fördert.

Suche nach Gefängnisbühne

Zunächst gab nur die Leitung der Justizanstalt Gerasdorf grünes Licht für Leischs Idee. Aus dem Projekt dort entwickelte sich eine anstaltenübergreifende Initiative. Sieben Frauen und drei Burschen studierten das Theaterstück "Medea bloß zum Trotz" ein und führten es vor Publikum von draußen auf. Ein Kamerateam verfolgte die Arbeit. Der daraus entstandene Dokumentarfilm "Gangster Girls" hat am 4. März im Zentralkino in Wiener Neustadt Vorpremiere und ist ab 27. März im Wiener Stadtkino und im Grazer UCI Millennium zu sehen.

Leisch arbeitet derzeit wieder an anderen Projekten, die Theatergruppe der beiden Justizanstalten existiert aber weiter. Zehn Häftlinge machen mit.

Das Filmteam begleitete die Akteurinnen auch in ihre Zellen, zur Arbeit in die Gefängniswerkstätten und die Anstaltsküche. Die Hobbyschauspielerinnen sind mit viel weißer und blauer Schminke, langen falschen Wimpern und Perücken maskiert und erzählen von sich. Keine Verpixelung, keine schwarzen Balken liegen zwischen den Zusehern und ihnen, dennoch bleibt die Anonymität der Insassinnen gewahrt. Sie bleiben unkenntlich, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist.

"Bist wirklich eingesperrt"

Manche der Insassinnen erzählten vor laufender Kamera Intimes. Etwa Sophia*, die in der Schwarzau erste erotische Erfahrungen mit einer Frau gemacht hat. Zunächst habe sie sich geschreckt, als sie ihre offenen Worte in einem Film hörte, sagt sie. Trotzdem will Sophia, dass "die Leute draußen" sich die Doku anschauen. "Damit sie sehen, dass die Menschen im Gefängnis auch was draufhaben und nicht nur die Bösen sind."

Die 30-Jährige, die wegen Betrugs drei Jahre und drei Monate in Haft ist, kann nicht nachvollziehen, warum manche Menschen kein Verständnis für ein solches Projekt haben: "Die Leute sollen mal sehen, wie das ist im Gefängnis. Da bist halt wirklich eingesperrt. Kannst nicht machen, was du draußen gemacht hast." Auch unter den Justizwache-Beamten habe es einige gegeben, die über die Theatergruppe zu Beginn nur den Kopf geschüttelt hätten, erzählt Anstaltsleiter Gottfried Neuberger. Doch das Projekt liegt ihm am Herzen. "Es ist wichtig, ein wenig die Tore zu öffnen, die Gesellschaft einmal hereinzulassen. Wir sehen das auch als eine Art Öffentlichkeitsarbeit", erläutert Neuberger.

Wahrheit hinter Klischees

PR, die nicht allen gefällt: Der Film bediene Klischees, zeige ein paar besonders bunte Vögel, meint die 35-jährige Vanessa*. Sie arbeitet, so viel sie kann. Malt Zellen aus und hilft in der Küche. Dass es auch Menschen wie sie hinter den dicken Mauern gibt, die möglichst viel aus ihrem Gefängnisaufenthalt herausholen möchten, das wüssten viel zu wenige Menschen, meint sie. "Draußen erfährt jemand: 'Die war in Haft', und dann bist abgestempelt. Niemand interessiert sich für deine Geschichte." Die Doku helfe da nicht weiter.

Leisch hat Verständnis für die Kritik: "Ich habe die Frauen einfach erzählen lassen. Manches wird dadurch vielleicht nur oberflächlich angeschnitten - und Klischees haben manchmal eben auch einen realen Hintergrund."

Die ganze Wahrheit, die hinter "schwerem Raub" mit einer Spielzeugpistole oder "Körperverletzung mit Todesfolge", unter der Theaterschminke und den schweren Plastikwimpern steckt, kann ein Film nicht erzählen. Sie passt nicht in einen 79-Minüter. Aber die Dokumentation ermöglicht einen Einblick in jene Welt, in der sich das Herannahen des Frühlings weitgehend auf zwei Innenhöfe beschränkt.   (Gudrun Springer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.2. 2009)