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Tagtäglich hantieren wir mit Banknoten, Überziehungsrahmen, Kreditraten. Von Bankencrash und Kreditklemme ist zu lesen, Konjunkturprognosen sind stete Begleiter nicht nur der Journalisten. Doch nichts davon ist neu, sondern geistert schon seit Jahrtausenden durch die Annalen. derStandard.at hat sich auf die Suche gemacht, nach interessanten, nicht ganz so bekannten oder ungewöhnlichen Geschichten zur Geschichte des Geldes und des Finanzmarktes gesucht und - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - eine Rundreise durch Raum und Zeit in Bildern zusammengestellt.

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Noch im alltäglichen Sprachgebrauch sind uns einige etymologische Relikte aus alten Zeiten geblieben. Das "Salär" zum Beispiel war Lohn oder Sold in Form von Salz - heute kann man davon alles kaufen, sofern es ausreicht. Eher bekannt ist der Ursprung des Wortes "bankrott". Das italienische "banca rotta" - die kaputte Bank - war jene, auf der ein Geldverleiher sitzen blieb, wenn er ungeschickt seiner Geschäfte nachging. Das Wort "Handel" bedeutet zusätzlich "handgreifliche Auseinandersetzung", was aus jenen Zeiten herrührt, als Handel eigentlich nur als Raub oder Diebstahl stattfand.

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Als quasi Vorstufe des Warentausches war der Raub die gebräuchlichste Art, Güter von einer Sippe zur anderen zu transferieren. Frei nach dem Motto "Wie du mir, so ich dir" gehen Forscher davon aus, dass es eine Art stillschweigendes Einverständnis gab. Eine Gruppe von Menschen, die Opfer eines Raubes wurden, waren auch einmal aktiver Part und fladerten rund um ein anderes Lagerfeuer Güter. Etymologisch ist uns nicht nur der Handel so geblieben: Die Verben "tauschen" und "täuschen" haben die gleiche Wurzel. Der griechische Götterbote Hermes sowie sein römisches Pendant Merkur waren zugleich für den Handel als auch die Diebe zuständig. Parallelen zur Gegenwart unterstellen wir jedenfalls keine.

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Konjunkturprognosen stehen hoch im Kurs, sind aber alles andere als eine Erfindung der Neuzeit. Nachzulesen beispielsweise im Alten Testament - 1. Buch Moses. Keiner der Astrologen und Priester des Pharaos konnte dessen Traum deuten. Er hatte nach sieben fetten sieben magere Kühe aus dem Nil aufsteigen und sieben mickrige Getreideähren sieben pralle verschlingen sehen. Nur der aus dem Gefängnis befreite Joseph konnte den Traum deuten - und prophezeite sieben gute und danach sieben schlechte Ernten. Den Wahrheitsgehalt der Geschichte können wir hier natürlich nicht überprüfen.

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Natürlich wollen wir nicht sagen, dass die Wirtschaftsforscher Traumdeuter seien. Aber jede Zeit arbeitet nun mal mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen. Apropos Zeit: Joseph kann man durchaus auch als Urgroßvater der Rohstoffspekulanten ansehen. Nachdem er nämlich seine Konjunkturprognose abgegeben hatte, schlug er auch gleich noch einen Ausweg aus der sich anbahnenden Misere vor: In den guten Jahren kaufte er das Getreide billig auf, um es in den folgenden sieben miesen Jahren teuer an das hungernde ägyptische Volk zu verkaufen.

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Bankgeschäfte sind fast so alt wie die zivilisierte Menschheit. Zeugnisse sind etwa aus Mesopotamien überliefert. Bevor es Münzen gab, dienten aber Silber und Getreide als Zahlungsmittel. Die exponentielle Zinsrechnung geht ebenfalls auf die mesopotamische Zeit zurück. Im Codex Hammurabi (nach König Hammurabi von Babylon, 1810 bis 1750 v. Chr,) sind erste schriftliche Regelungen zur Begrenzung des Kreditrisikos zu finden.

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In der uralten Gesetzessammlung soll von maximalen Zinssätzen von 20 Prozent für Silberkredite und 33 1/3 Prozent für Gerstenkredite die Rede sein. Bei säumigen Schuldnern - offenbar schon immer ein Problem - konnten die Zinsen gepfändet werden. Was dort außerdem in Stein gehauen ist: Regelungen zu Hypothekenkrediten, besicherten und unbesicherten Krediten sowie der Zinszahlung, die erst nach der Ernte, bei Missernten sogar erst im nächsten Jahr, fällig sind.

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Frei wie ein Vogel und ohne Geldsorgen war man also auch in den "guten alten Zeiten" nicht. Einfache Bankdienstleistungen wie Sparmöglichkeiten und Kredite nahm man allerdings damals noch nicht in Geldtempeln, sondern im "richtigen" Tempel in Anspruch.  Voraussetzung für diese Entwicklung war ein gewisser Wohlstand in den Städten. Die Grundzüge des Kreditwesen entsprachen bereits modernen Regelungen. Die Zinsberechnung erfolgte anhand der erwähnten exponentiellen Tabellen, die schon den Zinseszins berücksichtigten. Bei Zahlungsrückständen wurde der Schuldner übrigens durchaus auch inhaftiert. Das Kreditrisiko ist also so alt wie der Kredit selbst.

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Der sprichwörtlich bekannte lydische König Krösus ließ gegen 550 v.Chr. erstmals im großen Stil reine Goldmünzen prägen und mit reinen Silbermünzen gemeinsam als offizielle Zahlungsmittel kursieren. Legenden nach war Krösus ein Angeber, der seinen Reichtum in riesigen Schatzkammern hortete und sie Besuchern aus aller Welt unter die Nase rieb. Angeblich hat dem Lyder-König das Orakel von Delphi prophezeit, er werde "ein großes Reich zerstören", wenn er den Fluss Halys überschreite. Das Orakel hatte zwar Recht - es war allerdings sein eigenes Reich, das Krösus an den Perserkönig Kyros II verlor (Bild: Ufer des Euphrat im heutigen Irak).

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Alexander der Große in voller Montur: Zu seiner Zeit im antiken Griechenland war die Münzprägung schon in vollem Gange. Mangels gelben Metalls prägten die Griechen allerdings nur gelegentlich Goldmünzen, eigentlich nur dann, wenn sie fremde Söldner bezahlen mussten. Bis zur Zeit der makedonischen Herrschaft (4. Jahrhundert vor Christus) blieb Griechenland deshalb das Land der Silbermünzen. Diese existierten dafür in enormer Vielfalt, denn die griechischen Städte waren zahlreich und konkurrierten miteinander. Diese Tatsache dürfte auch als eine Art "Beschäftigungsmotor" gewirkt haben.

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Als die Akropolis noch ganz war, herrschte dort fieberhafte Betriebsamkeit. Der Kleinhandel blühte, der Geldwechsel gedieh. Geldwechsler verglichen und prüften die Tetradrachmen Attikas und Siziliens, die Tridrachmen Korinths und Großgriechenlands, die Didrachmen Phokaias, die Drachmen aus Syrakus. Weiters boten sie ihre Dienste bei der Abfassung von Kaufverträgen an und streckten Geld vor (zu einem Zins von mindestens zehn bis 48 Prozent, wenn - wie im Seehandel - Piraten und Unwetter das Verlustrisiko erhöhten). Sie nahmen Spareinlagen an, boten die Möglichkeit, laufende Konten zu eröffnen, und übernahmen die Buchführung. Privatpersonen dienten sie als Notare, dem Staat als Schatzmeister und in religiösen Stätten als Rechnungsführer.

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Aber: Auch in antiken Zeiten waren die Banken nicht vor Verwerfungen gefeit. Die Schlacht von Leukra, bei der durch den glänzenden Sieg der Thebaner Sparta der Nimbus der Unbesiegbarkeit genommen worden war, blieb auch für die Banken Athens nicht ohne Folgen. Schlagartig hatten viele Athener angesichts der Schlacht ihre Einlagen bei den Geldhäusern abgehoben und verursachten so den wahrscheinlich ersten Bankencrash der Geschichte. Und vielleicht sogar eine Kreditklemme.

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Das Sparschweinderl gab es in dieser Form damals noch nicht. Was nicht heißt, dass an Geldvermehrung kein Interesse bestand - trotz Zinsverbots, wie es im Alten Testament und im Koran ausgesprochen wird. Seinen Ausgangspunkt nahm das altkirchliche Zinsverbot im Mittelalter mit dem Zweiten Laterankonzil von 1139, dem Decretum Gratiani, einem ausdrücklichen Zinsnahmeverbot durch Papst Innozenz III. von 1215 und dem Konzil von Vienne von 1311. Allerdings, so heißt es, wurde das Zinsverbot immer wieder geschickt umgangen - gerade durch die Kirche selbst, z.B. durch ein ausgeklügeltes Rentensystem. Andererseits wurde das Zinsverbot dadurch entschärft, dass eine Entschädigung für geleistete Arbeit angenommen werden durfte.

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Dass Geldverleih auch eine "Plackerei" ist, sollte auch gewürdigt werden. Für die Schwierigkeiten und Gefahren, die man im Geldverleihwesen auf sich nimmt, und die Vorteile, die man einem anderen damit verschafft, galt es, "entschädigt" zu werden. Leistung und Risiko sollten also belohnt werden. Die Frucht des Kapitals wurde fortan lediglich als Entschädigung und nicht mehr als Zins angesehen. Immerhin: Als verurteilenswert galten von Wucherern geforderte überhöhte Zinsen.

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1275 schwärmte Marco Polo, dass die Chinesen den Stein der Weisen entdeckt hätten. Und er meinte damit nicht das Rad (im Bild ein Radler auf der Marco-Polo-Brücke in Beijing). Was ihn auf seinen Reisen begeisterte, war das Papiergeld, das in China - viel früher als in Europa - als allgemeines Zahlungsmittel zum Einsatz kam. Das erste Papiergeld überhaupt scheint um 1024 als Notgeld zur Finanzierung eines Krieges herausgegeben worden zu sein, als Münzen knapp geworden waren. 1402 wurde in China das Papiergeld wieder abgeschafft. Zu oft kam es vor, dass Kaiser gewaltige Mengen von Banknoten drucken ließen, ohne deren Deckung zu beachten. Wiederholte starke Inflationen in China waren die Folge.

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Nach einem kleinen Zeitsprung sind wir nun bereits im 17. Jahrhundert. Die Niederlande stiegen als Kolonial- und Handelsmacht empor, gründeten Handelsniederlassungen und unterwarfen die Inselgruppen des heutigen Indonesien. Die Kolonie "Niederländisch Indien" wurde aus der Taufe gehoben. Vor allem der Handel mit Gewürzen, Tee, Seide, Porzellan, Teppichen und Muskatnüssen, die damals mehr wert waren als Gold, entpuppte sich als lukratives Geschäft. Wer kein "Geld" hat, tut sich aber auch mit dem Geschäftemachen schwer. Das war damals nicht anders als es heute ist.

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Und weil man ja nicht einfach die Hand ausstrecken konnte, die einzelnen Kaufmannsfamilien nicht genug Geld besaßen, um eine eigene Hochseeflotte auszurüsten, und die Risiken des Kolonialhandels sehr hoch waren, entstand folgende Idee: Wenn man Kapital von möglichst vielen Menschen sammeln und ihnen als Anreiz dafür eine Rendite (Dividende) anbieten würde, könnte das Risiko auf mehrere Schultern verteilt werden und auch breite Bevölkerungs­schichten Anteile erwerben, was das Kapital vervielfachen würde. So entstand die erste Aktiengesellschaft der Menschheitsgeschichte: Am 20. März 1602 wurde die Vereinigte Ost-Indische Compagnie (Ostindien-Handelsgesellschaft), kurz VOC genannt, gegründet.

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Jeder Bürger konnte Anteile erwerben und sich ins Aktionärsbuch einschreiben. So gesehen war die VOC-Aktie auch die erste "Volksaktie" der Welt. Jährlich stachen rund 30 Schiffe in Richtung indonesische Inselwelt in See (Symbolbild). Der Handel blühte. Zeitweise gab es für die Aktionäre Dividenden in Höhe von 75 Prozent. Die Ostindien-Handelsgesellschaft wurde schnell zum größten Privatunternehmen ihrer Zeit. Bis zu ihrer Auflösung am 1. Jänner 1800 waren insgesamt 1.772 Schiffe der VOC auf den Weltmeeren unterwegs, die 4.789 Fahrten unternommen hatten.

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Misswirtschaft und Korruption führten leider zum Bankrott. Die erste Aktiengesellschaft der Welt war damit Geschichte. (Regina Bruckner, Daniela Rom, derStandard.at, 26.2.2009)

Quellen

Jacques Le Goff, Wucherzins und Höllenqualen. Ökonomie und Religion im Mittelalter, Klett-Cotta

Peter N. Martin, Die großen Spekulationen der Geschichte. Der Kampf ums schnelle Geld, Universitas Verlag

René Sedillot, Muscheln, Münzen und Papier. Die Geschichte des Geldes, Campus Verlag

Wolfram Weimer, Geschichte des Geldes, Insel Verlag

Wirtschaftsgeschichte, Digitale Bibliothek Band 12: Religion in Geschichte und Gegenwart

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