Erika Pluhar, österreichische Regisseurin, Sängerin, Autorin und Schauspielerin, feiert am 28. Februar ihren 70. Geburtstag.

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Erika Pluhar, hier zu sehen in "Moos auf den Steinen" (1968)  mit Heinz Trixner.

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dieStandard.at: Sie werden als 'österreichische Simone de Beauvoir' bezeichnet. Wie sehen Sie das?

Erika Pluhar: Das ist ehrenvoll, obwohl sie natürlich keine Sängerin oder Schauspielerin, sondern einzig und allein ein schreibender weiblicher Mensch war. Ich selbst wurde von Beauvoirs Schriften und Werken geprägt. In den 1968ern war ich politisch amorph, zu sehr mit dem Privaten und der Schauspielerei beschäftigt. Der portugiesische Musiker Antonio D´Almeida, mit dem ich lange zusammen gearbeitet habe, ist ein politisches Tier und hat ähnliches erst viel später in mir geweckt. In Portugal habe ich damals die aufwühlende Zeit nach der Nelkenrevolution erlebt. A propos Beauvoir, ihre dramatisierte Novelle Eine gebrochene Frau habe ich über hundert Mal als Einpersonenstück gespielt. Mir lag aber daran, dem Theaterstück ein 'trotzdem' hinzufügen.

dieStandard.at: Welches 'trotzdem'?

Pluhar: Die Novelle endet mit dem Gebrochen sein dieser Frau. Ich war so frei, das ein wenig zu korrigieren und habe am Ende versucht, die Möglichkeit eines Neubeginns zu suggerieren. Mir gefällt nicht, dass, wenn man gebrochen wird, es auch dabei bleibt. Das hat etwas mit meinem Leben zu tun, gebrochen wurde ich immer wieder. Es liegt an einem selbst, die gebrochenen Teile wieder zusammenzusetzen, um ein Ganzes, ein verändertes Ganzes zu finden. Abgesehen von diesem Theaterstück war Beauvoirs Werk und Wirken ein wesentlicher Beitrag zu (m)einem selbständigen, eigenständigen, eigenverantwortlichen Frausein.

dieStandard.at: In 'Marafona' haben Sie 2001 Regie geführt. Der Film handelt von Ihren Beziehungen und im Drehbuch sagen Sie über portugiesische Stoffpuppen: 'Ich weiß nicht, wie Katharina, die ich doch erfunden habe, ihr Leben, besser ihr Liebesleben, nach den Geschehnissen dieser Geschichte wird meistern können. Die Puppen wurden besiegt und eine Frau wurde wach.' Wie ist das zu verstehen?

Pluhar: Der Film handelt natürlich von meinen Mann-Frau-Erfahrungen. Von Schmerzlichkeiten, aber auch von schönen Erfahrungen, von zwei Frauen, zwei Künstlerinnen, Pianistinnen. Die eine hat eine schmerzhafte Beziehung zu einem verheirateten Mann, die andere lebt glücklich mit ihrem Lebenspartner, der auch ihr Manager ist. Ich habe darin zwei Variationen von Mann-Frau-Beziehungen aufgezeigt. Jeder, der schreibt, tut es immer aus seinem eigenen Leben heraus. Autobiografische Hinweise sind etwas schwerer nachzuvollziehen, wenn jemand nur schreibt. Bei einer Person, wie ich es bin, kann man Parallelen viel eher erkennen. Wir werden in Erfahrungswerte ja nur durch eigenes Erleben gestoßen ...

dieStandard.at: Um das Erlebte dann zu hinterfragen und zu reflektieren?

Pluhar: Ja, auch! Wie auch im Film 'Marafona', für den ich das Drehbuch geschrieben und bei dem ich Regie geführt habe.

dieStandard.at: Der Fado und das Wiener Lied?

Pluhar: Beide haben viel gemeinsam. Ich war lange in Portugal und habe das Land über D´Almeida sehr gut kennen gelernt. Der Fado ist so untrennbar mit Lissabon verknüpft wie das Wiener Lied mit Wien. Wir sind musizierend und filmend durch Portugal getourt, ich habe gesungen, Fado genutzt und mit eigenen Texten versehen. Meine musikalische Laufbahn habe ich mit Texten von André Heller begonnen, war ständig auf der Suche und habe Lieder von Sulke und Biermann, den ich sehr geschätzt habe, gesungen. Was Biermann wiederum nicht schätzte, der mich mit dem Klischee einer Femme fatale abgetan hat, das ich über meine Rollen, aber nicht über meine Persönlichkeit, erhalten habe. Zu diesem Zeitpunkt habe ich begonnen, Lieder selbst zu schreiben. Derzeit arbeite ich mit Klaus Trabitsch, einem ausgezeichneten österreichischen Musiker.

dieStandard.at: Sie waren eine der meist verdienenden TV- und Theaterschauspielerinnen im deutschsprachigen Raum, sagt man.

Pluhar: War ich das? Das glaube ich nicht. Nach langen Dienstjahren am Burgtheater habe ich die so genannte Höchstgage erhalten. Ich war 40 Jahre Ensemblemitglied und habe nach meiner Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar mit 20 Jahren am Burgtheater zu spielen begonnen. Damals hatte ich eine so geringe Elevengage, dass ich zu meiner Mutter essen gehen musste, um mich durchzubringen! Ich habe es auch nie weiter als zu einer ehrlichen Höchstgage gebracht, also ohne zusätzliches Honorar. Sicher gab es eine Zeitlang gute TV-Gagen, aber ich habe nicht ununterbrochen gedreht. Serien und Krimis habe ich später bewusst abgelehnt und freiwillig aufgehört, fürs Fernsehen zu arbeiten und die Schauspielerei zu bedienen. Ich wollte keine Rollen mehr spielen und wenn man das nicht mehr will, kann man nicht mehr exklusiv Schauspielerin sein! Ich wollte eigene Inhalte vermitteln, weder Instrument noch Sprachrohr sein!

dieStandard.at: 2004 sind Sie aber mit dem österreichischen Kabarettisten Werner Schneyder wieder zurück auf die Theaterbühne?

Pluhar: Ja, für 'Verzeihen, ist das hier schon die Endstation?' jedoch nach eigenem Text. Er hat meinen Dialogroman für die Bühne bearbeitet. Meine Leseabende versuche ich kulinarisch zu halten und manchmal singe ich meine Lieder sogar a cappella.

dieStandard.at: Verliert sich mit der Zeit das Lampenfieber vor Auftritten?

Pluhar: Lampenfieber habe ich keines mehr. Als junge Schauspielerin habe ich mich vor Premieren gefürchtet, Angst vor einem Publikum abzubauen braucht sehr viel Energie. Im Älter werden habe ich den Eindruck gewonnen, mehr Energie zu besitzen, da die Angst fehlt. Bühnenarbeit ist eine Konzentrationsübung, wenn es acht Uhr ist, muss man auf die Bühne und kann das nicht verschieben! Wichtig für mich ist die Freude am Tun und meist überträgt diese sich dann auch.

dieStandard.at: Wie ist es, wenn Sie sich heute auf der Filmleinwand sehen?

Pluhar: Es gab zum Glück nichts, was ich mit Unbehagen gesehen habe. Ich bin zufrieden mit meinen schauspielerischen Leistungen und auch mit meinem Aussehen. Was mich etwas verärgert hat, ist die Tatsache, dass man in der Zeit, in der man schön ist, es nicht kapiert. Da gab es immer Zweifel. Ich habe zwar schöne Frauen gespielt und natürlich auch alles versucht, mich während des Spielens nicht als hässliches Entlein zu fühlen, aber ich, die Erika, nicht die Erika Pluhar, war nicht in der Lage zu erkennen, dass ich eine schöne Frau war. Als ich begonnen habe, selbst Regie zu führen und meine Filme selbst zu schneiden, habe ich gelernt, mich als Schauspielerin und als Frau sachlich betrachten zu können.

dieStandard.at: Sie werden immer wieder in Verbindung mit André Heller und Udo Proksch genannt. Mit beiden waren sie verheiratet.

Pluhar: Es wirkt wohl spektakulär, dass eine Frau in Österreich gerade mit diesen beiden illustren Männern verheiratet war. Im eigenen Leben sieht das aber ganz anders aus, weil ich beide ja kennen gelernt habe, als sie das, was sie später werden sollten, noch nicht waren. Ich war ahnungsvoll an ihnen interessiert und von ihnen beeindruckt. Bei aller Inspiration und Liebe haben sie mir auch gezeigt, was ich nicht will. Es ist gut, wenn man das auch aus der Nähe zu einem Menschen erfahren darf. Ich wurde mit beiden gut Freund. Die Ehe mit Heller hat nicht allzu lange gedauert. Wir haben uns bald wieder getrennt und ich habe meinen Beruf konsequent weitergeführt. Er jedoch war in seiner Aufbauphase und ein so genannter Bürgerschreck, hat reihenweise Menschen brüskiert, was man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Er musste seinen Zorn abreagieren, und das, was in ihm war, kundtun, weil die Welt es noch nicht wusste! Sein Aufbegehren und meine ruhige Konsequenz haben sich einfach nicht vertragen.

dieStandard.at: Wollten Männer Sie mitunter verhindern?

Pluhar: Gerade die Tatsache, dass man von vielen aus der Ferne bewundert wird, führt überhaupt nicht dazu, dass man es leichter als andere hat. Ganz im Gegenteil! Gerade bei Männern kämpft man immer wieder mit Eifersucht und Konkurrenzgefühlen. Dem stand ich oft fassungslos gegenüber! Was dazu geführt hat, dass ich trotz zweier Ehen und einiger Liebesbeziehungen dennoch so etwas wie ein allein stehender Mensch geblieben bin. Die Zeit eines Zusammenlebens war immer schmal bemessen. Zum Thema Mann erschien Mitte Februar mein Buch „Er", eine Geschichte, die ich aus der Sicht eines Mannes geschrieben habe. Der Protagonist ist kein Heller oder Proksch, sondern ein durchaus unspektakuläres männliches Wesen, Junggeselle, leitender Angestellter um die 50.

dieStandard.at: Sie wirkten 1969 in der Literaturverfilmung von Schnitzlers Traumnovelle mit. Wie reflektieren Sie heute die Aussage 'Obsessionen schlafen nicht und kein Traum ist völlig Traum?'

Pluhar: Ja, eigenen Fiktionen und Vorstellungen nachzugehen, heißt noch lange nicht, jemanden zu lieben. Irgendwann, wenn ich feststellte, dass ich jemanden liebte, war es genau dann, wenn ich nichts mehr von ihm wollte, nichts mehr für mich verlangt habe. Liebe muss die eigenen Wünsche und Vorstellungen ausschließen. Verliebtheit hört immer auf. Leidenschaft versiegt. Das, was dann bleibt, ist Liebe. Erotik kann immer sein, immer wieder entstehen und ist eine Art Wechselspiel. Man muss Dinge und Attribute wie Jugend oder Schönheit loslassen, um sie wahrnehmen zu können. Wenn man als Frau den weiblichen Teil in sich bejahen kann, ohne dabei den Verstand zu verlieren, ist die Balance eine richtige. (Das Gespräch führte Doris Lippitsch, dieStandard.at, 27.2.2009)