Wien - Im Bereich der Umwelthaftung ist Österreich seit Jahren säumig - aber für die Koalitionsparteien ist es offiziell kein Thema. Stillschweigen sei vereinbart worden, hört man von den Umweltverhandlern aus SPÖ und ÖVP. Das wiederum ruft die Opposition auf den Plan: Hinter dem Rücken des Parlaments dürfte es bereits eine weitgehende Einigung geben, wie das Umwelthaftungsrecht künftig gestaltet werden soll, erfuhr der Standard am Dienstag.

Im Kern geht es um die Frage, wer dafür aufkommen soll, wenn Umweltschäden eintreten. Die Wirtschaftskammer hat - wie sie bereits vor über einem Jahr ihren Mitgliedern erklärt hat - offenbar erfolgreich dafür lobbyiert, dass einmal genehmigte Anlagen, die im Rahmen der Genehmigung betrieben werden, von Haftungen befreit sind. Durch die sogenannte Normalbetriebseinrede könnten Unternehmen die fälligen Schadenersatzzahlungen auf den Steuerzahler abwälzen.

"Das ist so ähnlich, wie wenn ich mir ein Auto kaufe, das eine Typengenehmigung hat. Wenn ich mit diesem Auto dann einen Schaden verursache, muss ich auch dafür geradestehen und kann mich nicht darauf ausreden, dass das Auto ohnehin ordnungsgemäß zugelassen war und die Allgemeinheit den Schaden zu tragen hätte", übersetzt der Freiheitliche Umweltsprecher Norbert Hofer die von der Wirtschaft gewünschte Haftungsregelung in die Alltagssprache.

Auch die Grünen-Umweltsprecherin Christina Brunner geht davon aus, dass sich die Regierungsparteien außerhalb des Parlaments und zulasten der Umwelt zu einigen versuchen - "und uns dann mit einem Initiativantrag überfahren wollen".

Dafür hätten die Vertreter von SPÖ und ÖVP ein schwer zu widerlegendes Argument: Die Zeit drängt. Die Europäische Kommission hat nämlich Österreich (und acht weitere Mitgliedsstaaten) bereits im vergangenen Sommer geklagt, weil die Republik verabsäumt hat, die 2004 beschlossene EU-Richtlinie zur Umwelthaftung in innerstaatliches Recht umzusetzen. Das hätte bis Ende April 2007 erfolgen müssen.

Ob die SPÖ der minimierten Haftung für Umweltschäden (die der eigentlichen Absicht der EU zuwiderläuft) zustimmen wird, ist fraglich. FPÖ-Mandatar Hofer hat jedenfalls den ursprünglichen Ministerialentwurf, der die Unternehmen in die Pflicht nehmen wollte, neuerlich eingebracht. (Conrad Seidl, DER STANDARD - Printausgabe, 25. Februar 2009)