Wien - "Das ist eine Hexenjagd", sagt AWD-Österreich-Chef Kurt Rauscher. Er sieht sich einer "Hetzkampagne" seitens der Konsumentenschützer ausgesetzt. Man sei das einzige Unternehmen in Österreich, gegen das der Verein für Konsumenteninformation (VKI) in Zusammenhang mit dem Verfall bei Immofinanz-Aktien Schadenersatzansprüche im Sinne habe. Was Rauscher besonders sauer aufstößt, ist die Internet-Aktion, im Rahmen derer mutmaßlich geschädigte AWD-Kunden einen Online-Fragebogen auszufüllen aufgerufen waren.

Rauscher spricht von einer fragwürdigen Kampagne, der VKI operiere mit zweifelhaften Daten: "Der VKI will eine schnelle Lösung." Man wisse von Kunden, die entsprechende Fragebögen ausfüllen würden, ohne überhaupt AWD-Kunde gewesen zu sein, sagt Rauscher. Einen Beweis dafür, dass die erhobenen Vorwürfe auf wackeligen Beinen stünden, sieht er auch in der Tatsache, dass der Verein für Konsumenteninformation potenziellen Interessenten eine Nachfrist eingeräumt hätte. Sie sei Beleg dafür, dass die eingegangenen Daten unzureichend für die Geltendmachung der Ansprüche sind.

Tatsächlich hätten die meisten Kunden ihre Einreichung online erledigt, bestätigt Peter Kolba vom VKI im Gespräch mit derStandard.at. Allerdings habe man "Falscheinsendungen" aussortiert. Den Vorwurf der Hetzkampagne weist Kolba zurück. Man könne nur eine Sammelklage vorbereiten, "wo es etwas zu sammeln gibt. Wenn sich jemand von einer Weinviertler Bank schlecht beraten fühlt und der andere von einem St. Pöltener Institut, dann kann ich das nicht sammeln."

Die VKI-Vorwürfe, AWD hätte weniger die Finanzen seiner Kunden optimiert, als Aktien an ein konservatives und sicherheitsbewusstes Publikum verhökert, will Rauscher nicht gelten lassen. Man habe mit aller gebotenen Umsicht beraten. Auch den Vorwürfen, dass AWD-Berater Bankprodukte wie Sparbücher oder auch Bausparverträge schlecht geredet hätten, kann er nichts abgewinnen.

Fragebögen prüfen

AWD wolle die Internet-Fragebögen prüfen und auch die dafür notwendigen Ressourcen bereitstellen, schlägt Rauscher vor und beklagt die mangelnde Bereitschaft des VKI, über die Qualität und Stichhaltigkeit der eingesammelten Daten Auskunft zu erteilen. "Kunden, die sich geschädigt fühlen", lädt der AWD-Österreich-Chef zu einem persönlichen Gespräch "um die aktuelle Situation zu analysieren".

Das reicht VKI-Jurist Kolba aber nicht. Er verweist auf entsprechende Erfahrungen im vergangenen Herbst. Zehn Fälle habe man AWD damals zur Prüfung übergeben, die für die Kunden wenig erfolgreich waren. Die zwei Fälle, die zugunsten der Kunden ausgegangen wären, würden sich besonderen Umständen verdanken, nicht aber der Tatsache, dass AWD Beratungsfehler zugegeben habe: "Die sehe ich aber." Kolba schildert den Fall eines Lawinenopfers, dessen Hinterbliebenen die Auszahlung einer Versicherungsleistung vollständig in Immofinanz-Aktien gesetzt hätten.

1.300 Finanzberater hat das Unternehmen derzeit, um 200 weniger als vor den Turbulenzen. "Das hat uns getroffen und es regt mich richtig auf", sagt Rauscher indes und verweist auf AWD-Mitarbeiter, die sich nicht mehr in die Kirche trauen würden oder ins Gasthaus, weil sie da "angepöbelt werden". Das AWD-Beratungssystem an sich will Rauscher nicht in Frage stellen, ebenso wenig das Geschäftsmodell. Derzeit gebe es keinen Grund, dieses zu ändern. Dass es "in Einzelfällen zu Beraterfehlern gekommen ist", schließt Rauscher aber nicht aus. Zweifel am hausinternen Vergütungssystem lässt er nicht gelten. Keineswegs seien die eigenen Mitarbeiter unter Druck, Produkte zu verkaufen, um im Vorhinein gezahlte Prämien nicht zurückerstatten zu müssen. Die Prämien für die Finanzberater gäbe es nach Abschluss einer Transaktion.

65 Millionen Schaden

6.500 AWD-Geschädigte haben sich beim VKI für die geplante Sammelklage wegen der Vermittlung von Immofinanz- und Immoeast-Aktien gemeldet. Die hochgerechnete Schadenssumme beträgt laut AWD über 65 Millionen Euro. Die 6.500 Anleger werden laut VKI in den nächsten Tagen ein Angebot zur Teilnahme an den Sammelklagen erhalten. Dann müssen sie bis 31. März ihre Schadenersatzansprüche dem VKI-Inkasso-Büro abtreten. Diese Ansprüche werden gebündelt in Sammelklagen in mehreren Schritten gegen den AWD eingebracht, wobei die erste Welle bereits im Mai kommen könnte.

Das Prozesskostenrisiko trägt der deutsche Prozessfinanzierer Foris AG, wodurch sich die Geschädigten ohne Kostenrisiko an der Sammelklagen-Aktion beteiligen können. Dafür sei im Erfolgsfall eine Quote an Foris abzuführen, die davon abhängig sei, wie rasch eine Lösung erzielt werden kann. (Regina Bruckner)