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Stararchitekt Daniel Libeskind unterrichtet an der Leuphana Universität Lüneburg - hier bei seiner ersten Vorlesung im Sommer 2007 zu sehen.

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"Die Universität Lüneburg ist eine der schlechtesten deutschen Universitäten", wurde Holm Keller, Kanzler der heutigen Leuphana Universität Lüneburg, in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung im Frühjahr 2007 zitiert.

Die Hochschule war das "Ergebnis" einer Fusion der bisherigen Universität Lüneburg und der Fachhochschule Nordostniedersachsen im Jahr 2005. Zu viele Studierende auf zu wenig Wissenschafter, schlechte Forschungsbedingungen mangels Kapazität und permanente Unterfinanzierung waren jene Bedingungen, die Sascha Spoun als Universitätspräsident und Holm Keller als sein Kanzler zu ihrem Antritt 2006 vorfanden. Mit der Besetzung der Spitze des Reformteams mit Spoun und Keller wurde mit dem unbedingten Willen, vorhandene Strukturen zu transformieren, aber ein deutliches Zeichen gesetzt.

Spoun, der in St. Gallen als Dozent tätig war, hatte sich dort einen Namen als Hochschulreformer gemacht, holte Holm Keller an seine Seite, der unter anderem beim Unternehmensberater McKinsey und bei Bertelsmann tätig war. Dezidierte Ziele des Veränderungsprozesses gründeten auf drei - unter anderem auch in einer Abhandlung festgehaltenen - Säulen:

  • Man wollte auf die gestiegene Mobilität unter Studierenden und Forschern reagieren. Heißt: Universitäten wurden meist mit einem politischen Auftrag zur "akademischen Versorgung" der Region installiert. Kleinere Universitäten mit eher geringer Strahlkraft sollten sich demnach so positionieren, um möglichst viele, auch internationale Studierende anzuziehen - also einer höheren Mobilität in diesem Punkt Rechnung tragen.
  • Der Bologna-Prozess sollte weitergedacht werden. Die Praxis, dass über vergleichbare Studienstrukturen mehr Abschlüsse, eine höhere Mobilität sowie eine höhere Betreuungsqualität erreicht werden sollte, funktioniere noch nicht im gewünschten Maß.
  • Die Fokussierung auf Forschungsschwerpunkte soll interessierte Wissenschafter anziehen und der wachsenden Komplexität der Forschung gerecht werden.

Die Umsetzung entsprechender Maßnahmen wurde in der Zwischenzeit als innovativstes Hochschulkonzept des Landes ausgezeichnet.

"Leuphana-Bachelor"

Sebastian Litta, heute Student im Masterprogramm Public Administration an der Harvard Kennedy School, war Teil des Reformteams und fasst heute die dreijährigen Arbeiten zusammen: "Jeder Teil der Reform basiert auf den vorhandenen Stärken der Universität. Nichts von dem, was es heute gibt, wäre möglich ohne jahrelange Vorarbeiten in vielen Bereichen der Vorgängerinstitutionen."

In vier Organisationseinheiten, die sich teilweise an US-Vorbildern orientieren, so Litta, werden die Aufgaben der Uni zusammengefasst: "Das College bündelt alle Aktivitäten rund um die Bachelorangebote, die Graduate School ist Heimstätte der Master- und Promotionsprogramme. In der Professional School sind alle Weiterbildungsprogramme und viele Praxiskooperationen konzentriert." In vier Bereichen soll wissenschaftliche Exzellenz erreicht werden: Kulturforschung, Lehrerbildung, Nachhaltigkeitswissenschaften sowie Management und unternehmerisches Handeln.

Ein herausragendes Element des Prozesses ist der sogenannte "Leuphana-Bachelor", der internationale Ansätze kombiniert und eine frühzeitige Überspezialisierung der Studierenden verhindern soll, so Litta. Im gemeinsamen ersten Semester, so Litta weiter, studieren alle gemeinsam, uabhängig davon, welche Richtung sie später einschlagen wollen, Geschichte/Philosophie, Methoden (Statistik, Mathematik, Forschungsdesign) und Nachhaltigkeit / Gesellschaftliche Verantwortung. Vor allem Studierende, die Lust auf Neues, auf Experimentieren und auf Vielfalt haben, fühlen sich von diesem Studienmodell angezogen, so Litta weiter.

Mit ihrer Tendenz zur Öffnung hin zur Gesellschaft und ihrer Nähe zur Wirtschaft, wie etwa in einem gemeinsamen Programm mit dem Hamburger Otto-Konzern, erntete die Leuphana aber auch Kritik. So wähnte man die Freiheit der Wissenschaft in Gefahr. Litta: "Den Trend der Öffnung, den es etwa in den USA schon lange gibt, sieht man jetzt auch immer mehr in Deutschland." Es gehe einfach um einen selbstbewussten, unabhängigen Umgang mit der Praxis außerhalb des viel beschworenen Elfenbeinturms. Im Falle der Otto-Kooperation sei es so, dass der Konzern Studierenden im College die Möglichkeit biete, über ein Stipendienprogramm Praxiserfahrung zu sammeln, und seine Nachwuchsführungskräfte zur Weiterbildung an die Leuphana schicke. Dafür erhalte die Universität finanzielle Unterstützung, die letztlich allen Studierenden zugutekomme. Letztlich, so Litta, gehe es um Praxiskooperationen als natürlichen Teil eines umfassenden Forschungs- und Lehrverständnisses. "Dabei darf die Leuphana natürlich nicht von einem Unternehmen abhängig werden." (Heidi Aichinger/DER STANDARD Printausgabe, 21./22. Februar 2009)