Sin Fang Bous: "Clangour" (Morr Music/Hoanzl 2009)

Coverfoto: Morr

Sindri Már Sigfússon also wieder. Kopf der Band Seabear, deren Debütalbum "The Ghost That Carried Us Away" (hier zur Erinnerung die Rezension) 2007 für allgemeines Entzücken sorgte. Trotzdem waren beim damaligen Österreichauftritt die Musik-Fans eher in der Minderzahl: Fand nämlich im Rahmen einer Kunstaktion statt - und wenn bei sowas erstmal das Buffet eröffnet ist und die versammelten Listengäste und Earls of Sandwich das Kauen und Schmatzen aufgenommen haben, ist die Konzentrationsfähigkeit des Publikums bekanntlich perdü. Essen und Bilderschauen geht dann doch besser zusammen.

Sindri ist aber niemand, der sich darüber groß einen Kopf machen würde, der steckt nämlich bis zum Bersten voller Ideen, wie er unter dem neuen Namen Sin Fang Bous beweist: Da hat mal jemand die Chance, sich im Solo-Projekt von den Eingrenzungen des Bandtums und der konsensualen Songerstellung zu lösen, wirklich, wirklich gut genutzt. Und zwar vom ersten Stück ("Advent In Ives Garden") an, das klingt, als wären ein Band mit Folk- und eines mit Electronica-Spur übereinander abgespielt worden - und beide mit erhöhter Geschwindigkeit. Den sanften Schmusefolk à la Seabear gegen fiepsige Commodore-Klänge, Drumcomputer und Samples aller Art ("Fafafa": ist da etwa ein Schneuzen eingebaut?) auszuspielen, zieht sich ebenso als roter Faden durch "Clangour" wie die Themen Freiheit und Unabhängigkeit in den Texten. Und wenn schon mal ein Stück zunächst so klingt, als hätte Sindri es auch schon auf "The Ghost That Carried Us Away" verbraten können, dann folgt ein unerwarteter Wechsel so sicher wie das Amen im Gebet. Wie in "We Belong": Erst Banjo und Glockenspiel, dann Eurodance-Rhythmus.

"If I could be a cowboy ..."

Pop und Experiment ist die zweite Dualität, zwischen denen die Stücke von "Clangour" aufgespannt sind. "Catch the Light" und "Meltdown the Knives" überraschen mit Wildwest-Touch, kräftiger Bass-Unterstützung und hohem Tempo. "The Jubilee Choruses" und der rasende Stillstand des Schlussstücks "Lies" hingegen lösen die Strukturen auf, haben Sin Fang Bous Vergleiche mit Animal Collective beschert und gehen dennoch allesamt extrem leicht ins Ohr. In Sachen musikalischer Experimentier- und Kombinierfreude steckt jedenfalls ein kleiner Patrick Wolf in Sindri - wenn auch ein etwas friedlicher gestimmter.

Auf "Clangour" (was eigentlich soviel wie "gellendes Geschmetter" bedeutet), klimpern die Toneffekte derart im Übermaß, dass man den Eindruck bekommt, Sindri wäre bei der Aufnahme der Hauptinstrumente durch eine Reihe hintereinander aufgehängter Perlvorhänge marschiert. Gerade deshalb würde sich das auch für eine "MTV Unplugged"-Session anbieten: Wenn all die Einzelkomponenten in Echtzeit eingespielt werden müssen, könnte das nämlich einen ähnlich spektakulären Auftritt ergeben wie einstens bei Björk und ihrem esoterischen Kammerorchester.

Sin Fang Bous: Advent in Ives Garden"

... womit wir auch schon wieder aufs Thema Island zurück gekommen sind. Kürzlich hatte Morr, deutsche Label-Heimat von Seabear und Sin Fang Bous, die Zeichen der Zeit erkannt und seinen Newsletter "Save Iceland - buy these records!" betitelt. Auf die Musikszene hat sich der Bankrott der wirtschaftlich schwer gebeutelten 300.000-Einwohner-Insel aber ohnehin nie erstreckt: Alleine seit Jahresbeginn liegen bei mir so unterschiedliche wie ausgezeichnete Veröffentlichungen wie die von Demoni Paradiso, Hjaltalín und Lay Low auf dem Neuheitenstapel. - Der wird noch weiter abgearbeitet. Jetzt such ich mir aber erst mal eine Ausstellungseröffnung aus dem Programm, ich hab heut nämlich noch nichts gegessen. (Josefson)