Der ORF ist müde, todmüde. Die Opernballübertragung zeigte eine uninspirierte, humorlose, obrigkeitsbeflissene, zugleich von der eigenen Wichtigkeit und von spürbarer Versagensangst gelähmte Haltung, die symptomatisch für den Zustand des wichtigsten seriösen Mediums ist. Die einzige, aber doch wichtige Erkenntnis etwa aus dem braven ORF-Doppel-Interview mit Faymann und Pröll auf dem Opernball war eine atmosphärische: Da geben zwei bewusst miteinander und nicht gegeneinander Antworten, wenn die auch in die Kategorie "Pfeifen im Wald" fallen.

Der ORF ist aber nur Teil eines Republik-Establishments, das auch müde, sehr müde geworden ist. Dieses Establishment bewegt sich auf dem schwankenden Boden der Krise und versucht, irgendwie den Job zu machen. Der Verdacht besteht, dass das zu wenig ist. Vor zwei Jahren hat niemand ernsthaft einen Gedanken an die Möglichkeit verschwendet, dass Großbanken in den USA, Europa und möglicherweise auch in Österreich verstaatlicht werden müssen, um sie vor dem Untergang zu retten; dass einzelne EU-Mitglieder ernsthaft den Staatsbankrott fürchten müssen; dass Schlüsselbranchen wie die Autoindustrie Produktionsrückgänge um zwanzig, dreißig und mehr Prozent haben. Vor zwei Jahren dachte niemand an eine weltweite Rezession oder gar Depression.

Niemand war vorbereitet auf die Schwierigkeiten wirtschaftlicher und politischer Natur, die uns ins Haus stehen.

Die beiden staatstragenden Parteien haben, weil es sich wahlarithmetisch nicht anders ausging, eine erneute Koalition geschlossen und in dieser bisher einen "Kuschelkurs" gefahren - weil vielleicht doch ein paar gespürt haben, dass die Zeiten für kontraproduktives Hickhack vorbei sind.

Vielleicht ist alles Ende des Jahres wieder in Butter, und wir werden die Furcht dieses Februar schon vergessen haben. Vorsichtshalber sollten wir aber andere Szenarien durchdenken. Die Finanzkrise ist noch längst nicht überstanden, sie könnte noch in eine Zahlungskrise von Staaten übergehen, geht bereits in eine Absatzkrise der Realwirtschaft über und muss daher zwangsläufig in einer Arbeitsplatzkrise enden. Bankenpakete und Konjunkturprogramme können hoffentlich das Ärgste verhindern, aber höchstwahrscheinlich kein neues, kräftiges Wachstum ankurbeln.

In Österreich erstarkt derweil die extreme politische Rechte, während die linksliberale Opposition (Grüne) in einer schweren Identitätskrise steckt und für Mehrheitsbildungen nicht infrage kommt. Die Parteien der extremen Rechten zeigen immer unverhohlener ihre Affinität zu antidemokratischen, antisemitischen und braunen Elementen. ÖVP und SPÖ wagen keine entschlossene Abgrenzung, besonders auf Landesebene.

Auf Bundesebene müssten Rot und Schwarz davon profitieren, dass in Krisenzeiten die Bürger sich anfangs eher den nichtradikalen Parteien zuwenden. Sie gefährden das jedoch durch schreckliche parteipolitische Besetzungen wie beim Flughafen Wien-Schwechat. Aber wenn diese Regierung die Krise nicht bewältigt - was kommt dann danach? (Hans Rauscher/DER STANDARD; Printausgabe, 21./22.2.2009)