Bild nicht mehr verfügbar.

In Ostasien geht jetzt schon die Sorge um die nächste Grippe-Pandemie um. Im nächsten Winter soll es so weit sein.

Foto: REUTERS/Rhee Dong-Min

Wien - 2005 herrschte in der Weltpresse eine regelrechte Pandemie- und Grippe-Hysterie. Inzwischen ist das Thema praktisch vom Tisch. Dabei hat sich an der Gefahr einer globalen Grippewelle in den letzten Jahren wahrscheinlich nichts geändert, sagt Martin Enserink, Reporter der US-Wissenschaftszeitschrift Science, kürzlich in Wien.

Enserinks einfache Erklärung: "Medien brauchen Nachrichten, um zu berichten." Den Neuigkeitswert brachten 2005 die Schätzungen der möglichen Opfer einer weltweiten Grippewelle. Sprach die Weltgesundheitsorganisation zunächst von zwei bis sieben Todesopfern, schaukelten sich die Zahlen später auf 150 Millionen hoch. Eine Hochrechnung der Weltbank tippte sogar auf bis zu 360 Millionen.

Enserink referierte Anfang dieser Woche bei der Tagung der Internationalen Gesellschaft für Infektionskrankheiten über die Kommunikation von Epidemien - und wollte dabei keine unnötigen Sorgen verbreiten. "Weil wenn es etwas Neues gibt, werden die Medien bei der Stelle sein."

Panasonic fürchtet Pandemie

Und wer sagt's denn: Vorige Woche sorgte der Elektronik-Konzern Panasonic zumindest in Japan für Schlagzeilen. Die japanischen Panasonic-Mitarbeiter in Ländern mit nicht ganz so hohen Standards in der Gesundheitsversorgung wurden angewiesen, bis September ihre Angehörigen nach Japan zurückzuschicken. Im nächsten Winter ist es nach Prognosen des Technologiekonzerns nämlich so weit: Und dann wird die Grippe-Pandemie tatsächlich stattfinden.

Ein Technologiekonzern am anderen Pazifikufer allerdings wohl eher in der Lage sein, eine Pandemie vorherzusagen - freilich mit erheblich kürzeren Vorlaufzeiten. Eine Auswertung der Google-Suchabfragen zum Stichwort Grippe nach den Orten der Abfragenden ergab ein genaueres Bild, wie sich Influenza ausbreitet, als die eingeführten Melderegister.

Und wie steht es bei der Plagen der Tropen um die mediale und finanzielle Aufmerksamkeit? Da stehen Aids, Malaria und Tuberkulose sowohl bei den Medien wie auch bei staatlichen und privaten Geldgebern im Zentrum. Für Lungenentzündungen, Meningitis, Diarrhöe, Schlafkrankheit oder Wurminfektionen bleiben nur geringe Beträge (PloS Medicine, Bd. 6 Nr. 2).

Selbst Ausbrüche von Infektionskrankheiten vor Ort werden von den Medien verzerrt wahrgenommen. Martin Enserink verwies etwa auf die Berichterstattung in British Columbia, in der 2006 fast zehnmal so viel über das West-NilFieber die Rede war wie über Kryptokokken. Dabei erkrankte im westlichsten Bundesstaat Kanadas das ganze Jahr über niemand am West-Nil-Fieber, doch es gab immerhin 157 Infektionen mit einer gefährlichen Mutation des Pilzes, und in fünf Fällen verlief sie tödlich.

Enserinks Schlussfolgerung: "Eine immer wichtigere Aufgabe von Wissenschaftsredakteuren ist es deshalb, Unsinn aus der Zeitung zu halten." (Stefan Löffler, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20. Februar 2009)