In Oppositionskreisen führt die demnächst anstehende Entscheidung über einen österreichischen EU-Kommissar zu Empörung über politische Packelei und Postenschacher, ausgeübt von den Regierungsparteien. Ein leeres Ritual, dem es diesmal umso mehr an Glaubwürdigkeit fehlt, als die Grünen seit dem Abschuss Voggenhubers in EU-Personalfragen eine wenig glückliche Figur machen und die Rechtsparteien nach dem Wirken ihrer Olympioniken in Seibersdorf jede Anspielung auf Postenpackelei bei anderen schon aus Gründen des guten Geschmacks unterlassen sollten.

Was aber nicht heißt, dass der koalitionäre Eiertanz um den EU-Kommissar ein erquickendes Bild gelebter Demokratie bietet. Die Milde des Bundeskanzlers, der kein Problem damit hat, der ÖVP diesen Posten taxfrei und unabhängig von Wahlergebnissen zu überlassen, damit er jedem Problem mit einem Zeitungsherausgeber aus dem Weg gehen kann, ist eine Neuerung, die gut zu der antiken Regierungsmaxime passt: Wer nichts verspricht, muss nichts halten und kann dafür auch nicht belangt werden. Im alten Rom gab man es kürzer: Ultra posse nemo tenetur.

Die öffentlich geäußerte Vermutung, Faymann überlasse der ÖVP den Posten, um sein Anti-EU-Image pflegen zu können, möchte man lieber nicht zur Kenntnis nehmen. Erstens wäre eine solche Haltung verfehlt in Zeiten einer nachhaltigen internationalen Krise, in der mehr, und nicht weniger, Menschen ihre Hoffnung in die Union setzen. Zweitens wäre es naiv anzunehmen, mit einer Wischiwaschi-Maxime wie "EU grundsätzlich gut, aber man muss nicht alles aus Brüssel kritiklos hinnehmen", ließe sich politisches Profil gewinnen. Banalitäten wie diese sind kein Ersatz für ein Engagement dort, wo mittlerweile achtzig Prozent der wichtigen Entscheidungen fallen, sondern höchstens der Vorwand für dümmliche Salzstangerl-Empörung, die sich bei der ersten Nachfrage mangels Substanz verflüchtigt.

Drittens ist überhaupt die Frage, ob man einer ohnehin kreuzlahmen Partei und ihren Funktionären auf die Sprünge hilft, wenn man den Kommissarsposten schon vor EU-Wahlen, aus denen man erfolgreich hervorgehen könnte, in eher feudaler als demokratischer Manier verschenkt. Um die EU grundsätzlich gut zu finden, aber sonst an ihr Kritik zu üben, müsste die SPÖ nicht stärker sein als die FPÖ, die auch schon von einem Austritt abgerückt ist. Wozu also sollte man sie am 7. Juni wählen? Da orientiert man sich doch lieber an dem Gestammel der SP-Bundessprecherin Laura Rudas, die den Verdacht, ihr Chef wollte sich mit einem Verzicht auf den EU-Kommissar geräuscharm im ORF oder bei der ÖIAG einkaufen, empört zurückwies.

So würden in diesem Land schon lang nicht mehr Positionen aufgeteilt, vernahm man aus dem Munde dieser jungen Hoffnung der SPÖ mit Genuss und Belehrung. Und an der diesbezüglichen Geradlinigkeit des Koalitionspartners würde ein solch schmutziges Geschäft ohnehin zuschanden werden. Oder?

Hoffentlich gibt der Bundespräsident bald seine Wiederkandidatur bekannt - bevor Faymann kein Problem hat, den Job der ÖVP zu überlassen. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.2.2009)