Experten fordern mehr Mittel für die Prävention.

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Wien - Noch vor wenigen Jahren sollen an Land gespülte Kokainpäckchen in Westafrika bei Fischern für Rätselraten gesorgt haben. Mit dem Inhalt sollen Fußballfelder markiert und Bootsfarbe angerührt worden sein, heißt es.

Der am Donnerstag veröffentlichte Jahresbericht des Internationalen Suchtstoffkontrollrats (INCB) zeichnet ein völlig anderes Bild von der Region: Westafrika hat sich demnach zu einem wichtigen Umschlagplatz im Kokainschmuggel von Südamerika nach Europa entwickelt. Der INCB, der auf Basis der "Single Convention" 1961 gegründet wurde, kontrolliert die Drogenkontroll-Konventionen der Vereinten Nationen und stellte fest, dass mehr als ein Viertel des weltweit konsumierten Kokains heute über Westafrika kommt.

Europa ist weltweit der zweitgrößte illegale Markt für Kokain und der größte für Cannabis. Letzteres wollte der Präsident des INCB, Hamid Ghodse, bei der Präsentation des Jahresberichts nicht als "weiche Droge" bezeichnen: "Ich kann mich keiner Droge entsinnen, die weich ist" , sagte er. Bei Cannabis bestehe das Problem, das die Gesetzgebung dazu weltweit uneinheitlich sei. Da es häufig die erste und zugleich meistverbreitete illegale Droge sei, seien präventive Maßnahmen gegen Cannabis-Konsum besonders wichtig.

Doch die Drogenprävention lässt laut INCB zu wünschen übrig: Regierungen sollten noch viel mehr in Vorbeugungsprogramme investieren, insbesondere im Hinblick auf Jugendliche, heißt es im Bericht für 2008.

Aus diesem geht auch hervor, dass die Anbaufläche für Schlafmohn in Afghanistan zwar um 19 Prozent verringert wurde. Trotzdem kommen immer noch 92 Prozent des illegal vertriebenen Opiums weltweit aus dem Land. Der Markt für illegale Opiate steigt in Osteuropa nach wie vor: Zwei Millionen Menschen sind dort laut INCB abhängig. In Westeuropa stagnieren die Zahlen dagegen. Allerdings verbreitet sich der Heroinkonsum weiter.

Über legale Handelswege

Um an Chemikalien zu kommen, aus denen verbotene Amphetamine hergestellt werden können, nutzen Drogenringe zunehmend legale Handelswege. Scheinfirmen sorgen für den Transport dieser Stoffe, aus denen dann zum Beispiel Ecstasy hergestellt wird. Außerdem werden immer mehr legale, private Kurierdienste für den Vertrieb kleiner Drogenmengen missbraucht. Auch das Internet machten sich Suchtmittelhändler zunutze: So steigt die Zahl von "verbrecherischen" Online-Apotheken, über die Drogentransporte koordiniert werden.

Der Missbrauch von legal erworbenen Arzneimitteln dürfte aber weltweit ein noch größeres Problem darstellen: "In den USA stieg von 1992 bis 2003 die Zahl der Personen mit Arzneimittelmissbrauch von 7,8 auf 15,1 Millionen Menschen" , erläuterte Ghodse. 2006 seien es 15,8 Millionen gewesen. Die Zahl der Kokain-Konsumenten betrug in den USA im Vergleich dazu "nur" 6,6 Millionen. Auf der anderen Seite gibt es in über 150 Ländern noch immer keinen Zugang zu verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln. (Gudrun Springer, DER STANDARD - Printausgabe, 20. Februar 2009)