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"Hürriyet" -Ausgabe mit Ursula Plassnik am Cover.

Foto: AP

Der Schlag war erwartet worden, die Größenordnung überraschte aber doch. Rund 400 Millionen Euro Strafe soll der Medienkonzern Dogan Holding mit seinem Flaggschiff Hürriyet (Freiheit) wegen angeblicher Steuerschulden an das Finanzamt zahlen. Das ist eine Summe, die in diesen Tagen auch einen großen Konzern in den Ruin treiben kann, und so sprechen die Verantwortlichen der Dogan-Medien nicht zu Unrecht davon, dass die vermeintliche Steuerstrafe nichts anderes als ein massiver Angriff auf die Pressefreiheit ist.
Tatsächlich ist die Dogan Holding der Regierung von Recep Tayyip Erdogan schon länger ein Dorn im Auge.

Die Zeitungen des Konzerns, allen voran Hürriyet und Milliyet, aber auch die englischsprachige Daily News und der Fernsehkanal "D" , haben sich in den letzten Jahren zur wichtigsten Opposition gegen die regierende AK-Partei entwickelt, insbesondere was die Aufdeckung von Korruptionsfällen innerhalb der Regierung und Islamisierungstendenzen in der Gesellschaft angeht. Im Kampf ums Kopftuch und den Versuchen der AKP, den Verkauf von Alkohol zu verbieten, hat sich der Dogan-Konzern eindeutig auf die Seite der säkularen Gesellschaft gestellt und sich deshalb immer wieder den Zorn der AKP und Erdogans zugezogen.

Auch der Zeitpunkt für die Verkündung der Steuerstrafe ist wohl kein Zufall. Ende März finden Kommunalwahlen statt, Berichte über Korruption sind jetzt besonders lästig. Vor wenigen Tagen hat die Oppositionspartei CHP, die ansonsten so abgewirtschaftet hat, dass sie ohne die Berichterstattung in den Dogan-Medien kaum noch Gehör fände, eine Affäre hochgezogen, die bereits im letzten Jahr zu einem Konflikt zwischen Erdogan und dem Chef der Dogan-Medien, Aydin Dogan, geführt hatte.

Verein in Deutschland

Es geht dabei um den Wohlfahrtsverein "Leuchtturm e. V." der in Deutschland für angeblich karitative Zwecke rund 30 Millionen Euro gesammelt hat, von denen aber mehr als die Hälfte, wie ein Frankfurter Gericht feststellte, zweckentfremdet auf den Konten AKP-naher Firmen landete, deren Besitzer teilweise enge Weggefährten Erdogans sind. Weil Hürriyet darüber groß berichtete, war sich Erdogan nicht zu schade, Dogan persönlich anzugreifen und dazu aufzurufen, keine Dogan-Zeitungen mehr zu kaufen.

Begründet wird die Steuerstrafe jetzt damit, der Dogan-Konzern hätte, als er 2006 einen 25-Prozent-Anteil an den deutschen Springer-Konzern verkaufte, seine dabei entstandene Steuerschuld statt im Dezember 2006 erst im Jänner 2007 gezahlt. Angesichts des Steuerchaos in der Türkei ist es ziemlich offensichtlich, dass es um ein politisches Manöver geht.

Die AKP hat sich, seit sie vor sieben Jahren an die Macht kam, einen Großteil der Presse gesichert. Islamisch orientierte Medien, die mittlerweile knapp die Hälfte des Marktes ausmachen, unterstützen die AKP schon aus ideologischen Gründen. Vor zwei Jahren hat die Regierung dann dafür gesorgt, dass die "Sabah-Gruppe" , nach Dogan der zweitgrößte Medienkonzern, an eine AKP-freundliche Holding verkauft wurde. Wenn jetzt die Dogan Holding ruiniert oder auf Linie gebracht wird, hat Erdogan außer in kleinen Nischenblättern keinen Widerspruch mehr zu fürchten. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 20.2.2009)