Mike Brennan wird am 11. Februar 2009 von Wiener Polizisten niedergeprügelt. Im STANDARD-Gespräch meinte er "Ich dachte, sie würden mich umbringen, ich habe um mein Leben gekämpft."
Warum? Weil er Schwarz ist. Das ist Rassismus. Schwarze haben in Österreich Angst, weil sie schwarz sind. Die Polizei kann mit ihnen machen, was sie will: schimpfen, foltern und töten. Ohne, dass sie zu Konsequenzen gezogen werden. Und die Justiz spielt mit.

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Nach dem Tod von Seibane Wague am 15. Juli 2003, in den Händen der Sanitäter und Polizisten, wurde ich von einem Freund gefragt: "A qui le tour?" Wer wird der Nächste sein? Vielleicht du? Vielleicht ich? Und wann? antworte ich.

Es dauerte bis zum 19. August 2004, als Edwin Ndupu (38) nigerianischer Staatsbürger in der Justizanstalt Stein, von etwa 15 Angehörigen einer speziell trainierten Einheit von Justizwachebeamten so lange verprügelt worden ist, bis er nicht mehr in der Lage war aufzustehen. Edwin Ndupu starb. Der Freund rief mich wieder an. Wer wird der nächste sein? Meine Antwort: Vielleicht ich? Vielleicht du? sagte er.

Ein ganz normaler dunkelhäutiger Österreicher

14. April 2005: Dr. Di-tutu Bukasa, Österreicher aus der Demokratischen Republik Kongo, Völkerrechtler, engagierter Menschenrechtsaktivist wird von jungen Neonazis am Wiener Naschmarkt so brutal verprügelt, dass er zwei Tage im Wiener AKH zwei Tage verbringen muss. Dr. Bukasa ist kein Asylwerber. Er ist wie du und ich. Ein ganz normaler dunkelhäutiger Österreicher. Der Freund rief mich wieder an: Vielleicht du?

Nein. Es war ein anderer. Er war 18 Jahre jung, war im Frühling seines Lebens. Hatte es geschafft aus den Krallen einer Diktatur in Gambia herausgekommen zu sein. Die Behörden glaubten nicht, dass er in seinem Land verfolgt war. Asylbescheid negativ. Er musste in Schubhaft, um zurück nach Gambia gebracht zu werden. Um welchen Preis? Am 4. Oktober 2005 starb Yankuba Ceesay im Polizeihaltezentrum in Linz. Eine Woche zuvor hatte er einen Hungerstreik begonnen und landete in einer Isolierzelle. Zwei bis drei Stunden vor seinem Tod wurde er im Linzer AKH untersucht. Warum? Bis heute gibt es keine logische Antwort auf diese Frage. Nicht nur das, die Geräte lieferten falsche Untersuchungsergebnisse, weil sie defekt waren. Außerdem, so wurde behauptet, sei er äußerst aggressiv gewesen. Wie schon zuvor bei Omofuma, Seibane, Edwin Ndupu, Richard Ibekwe behauptet worden war.

Polizisten arbeiten weiter

7 April 2006: Der Schubhäftling Bakary Jassey wird von vier Wiener WEGA-Beamten in einer Lagerhalle schwer misshandelt. Strafrechtlich wurden die Polizisten wegen Quälens eines Gefangenen zu bedingten Haftstrafen zwischen sechs und acht Monaten verurteilt. Sie hatten dem 33-jährigen Gambier nach einer missglückten Abschiebung umfangreiche Frakturen von Jochbein, Kiefer und Augenhöhle zugefügt. In dienstrechtlicher Hinsicht sprach sich der Disziplinaranwalt deshalb für ihre Entlassung aus dem Polizeidienst aus, fand mit dieser Forderung bei den Disziplinarbehörden aber kein Gehör.

Marcus Omofuma (25) aus Nigeria, Richard Ibekwe (26) aus Nigeria, Seibane Wague (34) aus Mauretanien, Edwin Ndupu (38) aus Nigeria, Yankuba Ceesay (18) aus Gambia. In sechs Jahren starben fünf Afrikaner in den Händen der Exekutive. Alle waren Asylsuchende. Das Durchschnittsalter beträgt 28 Jahre. Alle kamen aus Westafrika. Eine Region, die sich seit den 90er Jahren demokratisch-politisch sehr rasch verändert hat. Ghana, Mali, Benin, Senegal - Berichte von Internatonalen Organisationen sind sehr optimistisch über diese Region. Zahlreiche Investoren sind vor Ort tätig.

Freund und Helfer? Nein!

Der Tod dieser Männer ist ein Verlust für Österreich und für ihre Familie. Ist es gerecht, die Polizei als Freund und Helfer zu bezeichnen? Nein! Die African Community will genauere Antworten auf ihre Fragen erhalten. Warum sterben nur Afrikaner? Warum werden Afrikaner in Österreich so missverstanden, trotz ihrer Bemühungen, sich in Österreich niederzulassen? Warum werden sie nur mit Kriminalität assoziiert, obwohl sie seit 1999 eine rasche und erfolgreiche Entwicklung in jeder Hinsicht erleben?

Denn der Tod von Marcus Omofuma und die Polizeiaktion Operation Spring haben die außergewöhnlichen gestalterischen Kräfte Menschen afrikanischer Herkunft in Österreich vervielfacht, nicht zerstört. Als Insider sehe ich einen Boom an privaten, wirtschaftlichen, politischen sowie medialen Initativen aus den African Communities. In einem Land, wo der Einstieg ins Berufsleben oft auch von der Hautfarbe bestimmt wird, sind Geschäfte, Restaurants, Callcenters, Medienzentren, Internet Cafes, Cocktailbars usw. entstanden. Sie werden von Afrikanern selbst verwaltet. Einige ernähren sogar einheimische österreichische Familien.

Da die Medien eine große Rolle bei der Vermittlung von Bildern über Schwarze Menschen spielen, sind interessante Initiativen entstanden, die ein umfassendes Bild der Schwarzen in Österreich wiedergeben. Nicht nur in kleinen Nischen, sondern in den großen Medien, die die Mehrheit der Gesellschaft erreichen. Im Internet, gibt es sogar eine Plattform - die erste im deutschsprachigen Raum -, die zumindest einmal wöchentlich aktualisiert wird.

Wir leisten Entwicklungshilfe

Dieses vielfältige Engagement bereichert nicht nur die Afrikaner, sondern auch Österreich.  Ja, wir leisten eine Art Entwicklungshilfe hier. Warum wird der "Sub-Sahara-Afrikaner" in Österreich dennoch immer als gefährlich eingestuft? Warum reagieren Exekutive und manche Politiker so brutal und ablehnend? Warum werden manche Journalisten mancher Medien in Österreich starr, wenn sie mit Afrikanern an einer Podiumsdiskussion teilnehmen sollen?

Es liegt daran, dass in Österreich die Afrikaner nur unter zwei historischen Gesichtspunkten vorkommen. Entweder als Sklaven, oder als "Wilde". Afrikaner müssten zivilisiert werden, heißt es. Seit der Sklaverei kämpfen fast alle Afrikaner gegen das Vorurteil gegenüber der schwarzen Hautfarbe. Diese ist unser Davidstern geworden. Sie ist so sichtbar, dass viele davon Angst haben. Gleichzeitig ist sie schön, wenn man auf Urlaub fährt und braun oder dunkelbraun werden will.

Es soll nicht vergessen werden: Wir sind hier, und wir bleiben hier in Österreich.

Der Freund der mich immer anrief, ein Asylsuchender, wird wieder anrufen. Wer wird der Nächste sein? Vielleicht du? Vielleicht ich? Ich weiß es nicht. Wir fürchten ein nächstes Mal. Und lassen uns trotzdem die Hoffnung nicht nehmen, dass es vielleicht doch kein nächstes Mal geben wird. (derStandard.at, 18.2.2009)