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Der Staat will die Kontrolle über die Hypo Real Estate. Das trieb den Aktienkurs um 50 Prozent auf 1,58 Euro nach oben.

Foto: AP/Matthias-Schrader

Berlin - Es ist kein Pappenstiel, der bis jetzt in die Rettung der schwer angeschlagenen HRE geflossen ist. Seit Herbst haben ein Bankenkonsortium und der Staat 102 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Doch mit der Freizügigkeit ohne Gegenleistung ist nun Schluss. Am Mittwoch verabschiedete das Kabinett in Berlin das "Rettungsübernahmegesetz". Mit diesem werden die Weichen für die Verstaatlichung der HRE gestellt - notfalls auch durch Enteignung der Aktionäre.

"Wir tun das, um die Marktwirtschaft zu erhalten nicht, um sie abzuschaffen" , versichert die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) verteidigt das neue Gesetz, das dem Staat knapp 20 Jahre nach dem Ende der DDR-Staatswirtschaft wieder Zugriff auf Firmen erlaubt: "Es geht nicht um die Ausweitung von Staatseinfluss, sondern darum, öffentliche Mittel abzusichern. Sie wissen, dass der Bund bis jetzt keine einzige HRE-Aktie hält."

Er kritisiert auch die Debatte in Deutschland. In den USA, Großbritannien oder Irland seien Banken "ohne großes Getöse" verstaatlicht worden, um die Finanzmärkte zu stabilisieren. Nur in Deutschland werde der Eindruck erweckt, als ob es "um mehr als Leben und Tod geht".

"Lex Hypo" wird beteuert

Eifrig betont man in Berlin, dass es sich bei der Neuerung um eine "Lex Hypo" handelt - dass das Gesetz also extra für den maroden Immobilienfinanzierer gezimmert wurde und keine weitere Bank verstaatlicht werden soll. Die HRE wird von Berlin nämlich als "systemrelevant" eingeschätzt, ihr Kollaps hätte weitreichende Folgen für das deutsche Finanzsystem.

Der Bund strebt bei der HREeine Kontrollmehrheit von mindestens 95 Prozent an, um die restlichen Kleinaktionäre hinauszudrängen. Wenn es nicht gelingt, dies über eine Kapitalerhöhung zu erreichen, will er sich als "ultima ratio" auch einer Enteignung von Aktionären nicht verschließen. Gemäß dem deutschen Grundgesetz (Artikel 14) sind Enteignungen "zum Wohle der Allgemeinheit zulässig", wenn es ein entsprechendes Gesetz gibt. Dieses setzt der Regierung allerdings einen engen zeitlichen Rahmen: Die Entscheidung über eine Verstaatlichung muss bis Ende Juni fallen, die Rechtsverordnung bis Ende Oktober folgen. Aktionäre sollen dann gegen eine "angemessene Entschädigung" enteignet werden.

Das bedeutet für ein börsennotiertes Unternehmen wie die HRE: Die Höhe der Entschädigung orientiert sich am Aktienkurs der vergangenen zwei Wochen vor Veröffentlichung der Übernahme-Entscheidung. Sie wird einmalig bar ausbezahlt. Noch versucht die Regierung aber eine gütliche Einigung mit US-Großinvestor Christoph Flowers, der 25 Prozent der Aktien hält. Sobald das Unternehmen "nachhaltig stabilisiert" ist, soll es auch wieder privatisiert werden, heißt es im Gesetz.

Die Wirtschaftsverbände laufen Sturm gegen die Regierungspläne. Dieser "Tabubruch" schädige den Investitionsstandort Deutschland nachhaltig. Auch Aktionärsschützer sehen "fatale Signale" und prüfen eine Verfassungsbeschwerde.

Vor harten Zeiten sieht sich auch die Commerzbank, an der der Staat bereits zu 25 Prozent beteiligt ist. Erst 2010 rechnet sie mit Besserung. 2008 blieb dank einer Steuergutschrift gerade noch ein Mini-Gewinn von drei Millionen Euro. 2007 fuhr man noch 2,5 Milliarden Euro ein. Eine gemeinsame "Bad Bank" mit der HRE will sie nicht. (Birgit Baumann, Berlin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.02.2009)