Standard: Sie klagen, dass zu viele Antibiotika genommen werden. Welcher Anteil der Verschreibungen ist nicht gerechtfertigt?

Laxminarayan: In den USA mindestens die Hälfte. Entweder weil es sich um ein Virus oder gar nicht um eine Infektion handelt. Die meisten Verschreibungen ohne ausreichenden Grund kriegen Kinder unter fünf Jahren. Unsere Krankenhäuser verabreichen Patienten alle möglichen Antibiotika, um die Chance zu verringern, dass sie sich eine Infektion einfangen.

Standard: Warum werden zu viele Antibiotika verschrieben?

Laxminarayan: Medikamente kann ein Spital in Rechnung stellen, nicht aber Investitionen in Infektionskontrolle, obwohl diese viel sinnvoller wären. Leider macht sich Infektionskontrolle auch nicht sofort bezahlt, sondern erst nach ein paar Jahren. Durch die übermäßige Nutzung beschleunigen wir die Verbreitung von Resistenzen und verringern die Wirksamkeit der Antibiotika. Wir sollten ihre Wirksamkeit als öffentliches Gut sehen - etwa wie die Sauberkeit unseres Wassers.

Standard: Was bringt Aufklärung?

Laxminarayan: Aufklärung bringt etwas, reicht aber nicht. Krankenhäuser sollten für Infektionskontrolle subventioniert werden, denn mit der Wirksamkeit von Antibiotika fördert man ein öffentliches Gut. Auch wenn es merkwürdig klingt, weil es um Viren geht, würde ich Grippeimpfungen fördern. Die Verschreibung von Antibiotika schießt im Winter auch wegen Infektionen nach oben, die mit der Grippe einhergehen.

Standard: Wie wichtig ist die Entwicklung neuer Antibiotika?

Laxminarayan: Man muss prüfen, wie ein Antibiotikum auf andere Antibiotika wirkt. Schürt es die Resistenz, tut man der öffentlichen Gesundheit keinen Gefallen, wenn man es zulässt. Erfindet eine Firma aber eine neue Klasse von Antibiotika, könnte man ihr, ähnlich wie bei Medikamenten gegen seltene Krankheiten, Exklusivität einräumen. Wir werden bald sehen, was die US-Arzneimittelzulassungsbehörde FDA tut. Unsere Zulassungsbehörde hat vom US-Kongress den Auftrag erhalten, die Entwicklung neuer Antibiotika zu fördern.

Standard: Lassen sich die Kosten, die durch Antibiotikaresistenzen entstehen, beziffern?

Laxminarayan: Die Schätzungen gehen von 300 Millionen bis 30 Milliarden Dollar. Das Problem ist, dass es schwerer zu berechnen ist als etwa die Kosten des Rauchens. Aus gesundheitlicher Sicht hat Rauchen keinen Nutzen, sondern richtet nur Schaden an. Aber Antibiotika haben einen großen Nutzen, den man bei einer solchen Rechnung berücksichtigen muss.

Standard: Habe ich persönlich einen Schaden, wenn ich ohne Not ein Antibiotikum nehme?

Laxminarayan: Dieses Antibiotikum und andere seiner Klasse werden das nächste Mal bei Ihnen nicht so gut wirken. Der Grund ist, dass ihm nicht nur die Bakterien, die Sie bekämpfen wollen, ausgesetzt sind, sondern auch die Bakterien in Ihrer Haut, Ihren Schleimhäuten und anderen Organen. Sie alle lernen, resistent zu werden.

Ramanan Laxminarayan ist Senior Fellow bei Resources for the Future in Washington. Das Gespräch führte Stefan Löffler.