Rhani Dhabi überblickt das ganze Lokal. Von seinem Platz aus hat er den neuen Kellner im Auge, der gerade eingeschult wird, die große Halle, die am Vormittag noch leer ist. Durch das Fenster sieht er auf den Gastgarten, dessen Holztische nass sind. Hinten rechts sitzt er, ganz im Eck, hinter einem Monitor, und begrüßt die Gäste. Sein Deutsch ist klar, er spricht es schließlich seit über 30 Jahren.
Es waren keine wirtschaftlichen Gründe, die ihn dazu brachten, seine Heimat Marokko zu verlassen. Er kam aus einer Mittelstandsfamilie, schloss das Gymnasium ab und begann dann, in einem Transportunternehmen zu arbeiten. Aber schon ein Jahr später, mit 19, wollte er weg. Nach Europa, in die Gastronomie, irgendetwas Neues machen, die Welt erkunden. "Westberlin bot so viele Möglichkeiten, die Stadt zu bereichern", sagt er. Frankreich wäre zwar naheliegender gewesen, "aber ich kannte die Sprache schon. Ich wollte eine neue Sprache lernen, ich wollte das Fremde kennen lernen."
Warm-kalter Abschied
Also Deutsch, im Westberlin der Siebziger. "Damals war es leicht, ein Visum in Deutschland zu bekommen. Heute wäre das nicht mehr möglich." Leicht fiel ihm der Abschied aber nicht. "Es ist ein Mischgefühl, ein warm-kalt." Trotzdem verließ er die warme Heimat und einen sicheren Arbeitsplatz für das kalte Deutschland und Ungewissheit. "Um ein Ziel zu verfolgen, muss man Risiken in Kauf nehmen und auf Sachen verzichten." Heute würde er das nicht mehr machen. Genauso, wie über Silvester nach Paris trampen, mit einer Freundin, aber ohne Geld. "Das waren andere Zeiten damals", sagt er und schmunzelt.
In Berlin arbeitete er in der Gastronomie, bis er davon hörte, dass Tirol in diesem Bereich viele Möglichkeiten bieten würde. Deshalb ging er nach Österreich, zuerst Tirol, dann Wien. Er war Koch, Kellner und "alles, was man sonst noch in der Gastronomie machen konnte". 1983 machte er sich dann selbstständig mit einem marokkanischen Restaurant. Die Leute blieben aber aus, marokkanische Küche hatte kein Publikum in Wien.
Das zweite "o"
Danach führte er ein Studentenlokal nahe der Wirtschaftsuniversität bis 1997. Eine Zeit, die ihm viel Spaß gemacht habe, wie er sagt. Danach kam der Versuch, gesundes Fast Food zu etablieren: Zusammen mit kanadischen Geschäftsmännern wollte er "Rick's Chicken Corner" europaweit vermarkten. Nach sieben Fillialen war 2001 Schluss. "Damals habe ich einiges an Geld verloren", wie er sagt. Aber er wollte weiter in der Gastronomie bleiben, jenes Gewerbe, in das er bereits seit in frühester Jugend wollte. Er hatte ein Restaurant in bester Lage, direkt auf der Mariahilfer Straße. Auch nur eine Zwischenstation.
Letztendlich versuchte Rhani Dhabi noch eine Kooperation mit dem Hofbräuhaus in München. "Aber die Verträge waren zu streng." Um einen Rechtsstreit zu vermeiden, machte er aus dem Hofbräu ein Hoofbräu und serviert seitdem Schnitzel, Zwiebelrostbraten und Weißwürste, mit eigens gebrautem Bier. "Wiener Küche und Gemütlichkeit mit bayerischem Einschlag", wie er es nennt. Hauptsächlich Touristen würden kommen, aber auch Menschen, die Zuflucht vom Trubel und Lärm der Mariahilfer Straße suchen würden.
"Irgendwann..."
In Österreich fühlt er sich inzwischen zuhause. "Manchmal vergesse ich, dass ich aus Marokko komme. Ich fühle mich schon längst nicht mehr wie ein Ausländer." Drei- bis viermal im Jahr fliegt er aber zurück in seine alte Heimat. In Österreich gebe es kaum Marokkaner, "einige hundert", wie er schätzt, mit denen er sich manchmal trifft. Dann kocht er auch marokkanisch. "Irgendwann" will er auch wieder marokkanische Küche in seinem Restaurant anbieten: "Ich habe die Idee immer noch im Hinterkopf." Und vielleicht lassen sich die Österreicher dann doch noch für Ratatouille und Couscous begeistern. (ros, derStandard.at, 04.03.2009)