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Daniela Iraschko (25) siegte diesen Winter fünfmal im Continentalcup. ÖSV-Cheftrainer Gerald Daringer (re.) traut ihr eine WM-Medaille zu.

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Daniela Iraschko (r.) und Jacqueline Seifriedsberger.

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Es ist ein Kapitel Sportgeschichte, das da geschrieben wird. Schon morgen, Mittwoch, werden die Skispringerinnen in Liberec/Tschechien erstmals trainieren, am Freitag steigt auf der Normalschanze ihr erster offizieller WM-Bewerb. Von Gleichberechtigung ist noch keine Rede, die Großschanze und der Teambewerb bleiben den Herren vorbehalten.

Es ist ja auch noch nicht allzu lange her, dass Gian-Franco Kasper, der Präsident des internationalen Skiverbandes (FIS), die Befürchtung geäußert hat, es würde Skispringerinnen "bei der Landung die Gebärmutter zerreißen" . Helmut Weinbuch wiederum, der ehemalige Sportdirektor und Generalsekretär des deutschen Skiverbandes, hielt die weibliche Wirbelsäulen für allzu gefährdet. Kasper, das sei allerdings auch hinzugefügt, hat sich mit etwas Verspätung für seinen Rückgriff auf ein im 19. Jahrhundert gebräuchliches Argument gegen den Frauensport insgesamt entschuldigt.

Die schwebende Gräfin

Moderner als der Schweizer, jedenfalls unerschrocken, war Gräfin Paula Lamberg, die "schwebende Gräfin" , die 1911 in Kitzbühel und im Kleid auf Skiern 22 Meter weit sprang. Längst liegt der einschlägige, wenn auch nicht offiziell anerkannte Rekord bei 200 Metern. Gelungen ist dieser Flug der Steirerin Daniela Iraschko schon 2003 vor dem Skifliegen der Herren am Kulm in Bad Mitterndorf. Sechs Jahre später hat die mittlerweile 25-jährige Eisenerzerin gute Chancen, erste Skisprung-Weltmeisterin zu werden. Sie und die Oberösterreicherin Jacqueline Seifriedsberger (18), die aktuelle Juniorenweltmeisterin, wurden vom österreichischen Skiverband (ÖSV) für Liberec nominiert.

Das eigene Budget

Beide zählt Gerald Daringer, Cheftrainer der Skispringerinnen im ÖSV, zu jenen "fünf, sechs Athletinnen, die auf dem Podest landen können" . Seit 2006 ist der Lehrer am Skigymnasium Stams für die Skispringerinnen zuständig. "Die Professionalität ist in unserem Bereich von Jahr zu Jahr höher geworden" , sagt der 32-jährige Tiroler. Die Ausbildung sei inhaltlich nicht anders als in der männlichen Skispringerei, die Kooperation ist eng. Der ÖSV war der erste Skiverband, der den Skispringerinnen ein eigenes Budget zugestand. Mit 45.000 Euro pro Saison hat Daringer auszukommen, im Kader hat er nur Iraschko und Seifriedsberger. Dazu werden immer wieder Skispringerinnen aus den Landesverbänden zu internationalen Wettkämpfen eingeladen.
Die sind ziemlich zahlreich. Zwischen 1999 und 2008 wurde ein dem Aufbau nach mit der Vierschanzentournee vergleichbarer FIS Ladies Grand Prix mit Stationen in Saalfelden, Rastbüchl, Schönwald und Baiersbronn gesprungen. Die Veranstaltung fiel schließlich dem seit 2004 durchgeführten FIS Ladies-Continentalcup zum Opfer. Siegerin der ersten beiden Bewerbe in Park City: Daniela Iraschko. 2008/09 umfasste der Cup-Kalender zehn Stationen mit Springen in den USA, Kanada, Deutschland, Italien, Slowenien, Polen, Norwegen und Japan.

Im Wesentlichen stellen diese Nationen auch das Gros der wettbewerbsfähigen Skispringerinnen. Rund 50 springen regelmäßig im Continentalcup, die auch aktuell führende Norwegerin Anette Sagen hat ihn viermal gewonnen, im Vorjahr vor Iraschko.
Eine eigene Sprungserie auf hohem Niveau und die WM-Teilnahme waren die wichtigsten Voraussetzungen für die Aufnahme des weiblichen Skispringens ins olympische Programm. Gleichwohl wurde dieses Begehren von Internationalen Olympischen Komitee für Vancouver 2010 abgeschmettert. Das sportliche Niveau der Damen lasse noch keine Medaillenvergabe zu, argumentierte IOC-Präsident Jacques Rogge und widersprach damit den Mitgliedsverbänden der FIS, die sich einhellig für Skispringerinnen bei Olympia ausgesprochen hatten.

Im ÖSV gibt man sich bedauernd mit der Aussicht auf die Spiele 2014 in Sotschi/Russland zufrieden. Kanadische Skispringerinnen reichten dagegen bereits eine Klage gegen das Organisationskomitee von Vancouver 2010 ein. Das Fehlen eines Bewerbes für Skispringerinnen verletze die kanadischen Gleichstellungsrechte, argumentiert ihr Anwalt Ross Clark. Am 1. April wird die entscheidende Verhandlung stattfinden.
Der lange Atem

Iraschko glaubt nicht, dass sich das IOC von einem Spruch für den Damenskisprung beeindrucken ließe: "Leute, die gegen uns sind, obwohl sie noch nie ein Springen gesehen haben, werden deshalb auch nicht umdenken." In Liberec geht für sie "ein Traum in Erfüllung" , und sie kann sich durchaus vorstellen, auch bei einer olympischen Premiere in Russland noch dabei zu sein. Langer Atem ist gefordert, vom Skispringen leben kann sie jedenfalls nicht. "Bis das möglich ist, werde ich sicher nicht mehr dabei sein."(Sigi Lützow aus Liberec, DER STANDARD, Printausgabe, Dienstag, 17. Februar 2009)