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Gute Zeiten, schlechte Zeiten: Während Dieter Hoeneß mit Hertha triumphiert, leidet Uli Hoeneß mit und an den Bayern.

Foto: APA/montage derStandard.at

Fußball-Statistiker und Bundesliga-Archivare haben in Deutschland wieder einmal Hochsaison. Bitte, 1991, da war es doch genauso, sagen sie und wacheln mit vergilbten Fan-Heften: Da nämlich bezwang der kleine 1. FC Kaiserslautern am 22. Spieltag die Stars vom FC Bayern München mit 2:1. Von da an hielt sich Kaiserslautern an der Spitze und war am Saisonende Deutscher Meister.

Und an diesem Wochenende, am 20. Spieltag, hat wieder ein vermeintlicher Zwerg die Bayern in die Schranken gewiesen: Hertha BSC siegte daheim im Berliner Olympia-Stadion 2:1 über Jürgen Klinsmanns Elf aus München. Jetzt steht der Hauptstadtklub, der in den vergangenen Jahren eher ein Abonnement für die hinteren Ränge hatte, an der Tabellenspitze.

Fußball-Berlin also ist enthusiasmiert wie selten zuvor. Denn natürlich ist dieses Duell mehr als ein Wettbewerb zwischen 22 Spielern am grünen Rasen. Es ist - zumindest bis zum nächsten Wochenende - der Sieg der "Preußen" über die Bayern. Der Triumph der Underdogs aus Berlin gegen die Münchner Millionäre. Berlin ist endlich auch Fußball-Hauptstadt.

Zudem beschert das Ranking Deutschland ein Duell der besonderen Art: Schließlich wird der FC Bayern München von Uli Hoeneß (57) gemanagt, die Berliner von seinem ein Jahr jüngerem Bruder Dieter. In diesem "Bruderzwist" waren die Rollen bisher recht eindeutig verteilt: Uli trachtet danach, mit Bayern von Erfolg zu Erfolg zu eilen, Dieter hingegen muss froh sein, wenn sein Klub nicht absteigt. Meister waren die nicht eben erfolgsverwöhnten Berliner zuletzt vor 78 Jahren. Jetzt aber hat der ruhigere Dieter erstmals die Chance, aus dem Schatten seines erfolgreichen und lebhaften Bruders Uli zu treten. Der polarisiert die Fußball-Nation ja wie kaum ein anderer - ausgenommen Kölns Trainer Christoph Daum.

Begonnen haben die Hoeneß-Brüder ihre Karriere noch gemeinsam: Sie spielten anfangs beide beim VfB Ulm. Als sie später ins Management wechselten, waren die Karten wesentlich ungleicher verteilt: Der FC Bayern München erfreute sich weltweiter Bekanntheit, während die Berliner gerade gegen den Abstieg in die dritte Liga kämpften. Auch beim Image lag (und liegt) man meilenweit auseinander: Während der Bayern-Fan im eigenen BMW zum Spiel anreist, grölt sich der Berliner Fan vorzugsweise in der U-Bahn warm.

Bitte Toiletten benutzen

Noch heute lacht man in Berlin über Hinweise im Olympia-Stadion, die Fans mögen doch bitte die Toiletten benutzen und nicht irgendwo im Stadion ... Ja, so war das 1999, als die Regierung von Bonn nach Berlin zog und der 1892 gegründete Traditionsverein Hertha samt seinen Fans ein wenig repräsentativer auftreten sollte.

Spielerisch gelang das nicht ganz so eindrucksvoll. Wenn überhaupt nahm man an der Champions League und am UEFA-Cup nur teil, in der Bundesliga belegten die Berliner 2008 und 2007 Platz zehn.
Doch in dieser Saison wendete sich das Blatt. Während alle Welt auf den Höhenflug des TSG Hoffenheims starrte, gewannen die Berliner mit ihrem Schweizer Trainer Lucien Favre, Verteidiger Arne Friedrich, dem ukrainischen Stürmer Andrej Woronin sowie einem "Kollektiv der Namenlosen" (Süddeutsche Zeitung) Spiel um Spiel und robbten sich nach vorne.

"Es nervt" , beschied Bayern-Trainer Klinsmann, der unter enormem Erfolgsdruck steht, hernach. Bayern-Manager Uli Hoeneß hingegen gab sich betont gelassen: "Am 34. Spieltag - und nur darauf kommt es an - sind wir ganz oben." Immerhin versuchte Dieter Hoeneß den Ball nach der gewonnenen Partie flach zu halten und meinte ebenfalls, es werde letztendlich wohl Bayern die Meisterschale heimtragen. Im Herbst allerdings hatte das noch anders geklungen. Da meinte der "kleinere" Hoeneß: "Ich bin so vermessen zu sagen, dass ich hier bei Hertha Vergleichbares geleistet habe wie Uli bei Bayern."(Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Printausgabe, Dienstag, 17. Februar 2009)