Wien - Rund 300 neue Beschwerden über angebliche Falschberatung durch den Finanzdienstleister AWD sind seit der Verlängerung der Beschwerdefrist (am letzten Freitag) beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) eingelangt. Bis Ende dieser Woche können sich Konsumenten, die sich beim Kauf von Immofinanz- oder Immoeast-Aktien vom Strukturvertrieb AWD falsch beraten fühlen, noch beim VKI melden und an einer der geplanten VKI-Sammelklagen gegen den AWD beteiligen.

Da in vielen der inzwischen 4800 beim VKI gemeldeten Fälle auch Immoeast-Aktien vom AWD vertrieben wurden, sei die ursprünglich für Immofinanz-Fälle gestartete Aktion ausgeweitet worden, sagte VKI-Rechtsexperte Peter Kolba dem STANDARD.

Der VKI bereitet mit dem deutschen Prozesskostenfinanzierer Foris Sammelklagen nach österreichischem Recht vor. "Dieses Instrument haben wir vor inzwischen fast zehn Jahren gemeinsam mit Foris und dem Wiener Anwalt Alexander Kluger erfunden", sagte Kolba. Bis auf zwei Fälle seien alle zehn vom VKI angestrengten Sammelklagen mit Vergleichen abgeschlossen worden, ein Verfahren (gegen den Reiseveranstalter Nazar) habe der VKI gewonnen, eines verloren. Laut einem Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) sind Sammelklagen nach österreichischem Recht zulässig, wenn ein im Wesentlichen gleicher Anspruchsgrund vorliegt. Dabei werden die Ansprüche der Beschwerdeführer an den VKI abgetreten, der den Prozess dann bis zum OGH führen kann.

Sammelklagen seien nicht nur aus Gründen der Prozessökonomie sinnvoll (ein Richter hört alle Zeugen und Sachverständigen), sondern wirken auch kostendämpfend für alle Beteiligten und ermöglichen durch den hohen Streitwert erst das Engagement eines Prozesskostenfinanzierers, erläuterte Kolba.

"Todsicheres Investment"

Dieser erhält dann eine Quote des erstrittenen Betrags. Bei den AWD-Klagen werde es gestaffelte Quoten geben. Im Fall eines Vergleichs ist die Quote für Foris am niedrigsten; je länger das Verfahren dauert, desto mehr erhält der Prozessfinanzierer. Im Fall der AWD-Klagen werde die Erfolgsbeteiligung etwas unter 20 bis zu 30 Prozent ausmachen.

Mit Foris habe der VKI bereits zweimal (gegen den Reiseveranstalter Gulet und gegen die Bawag PSK) zusammengearbeitet. "Wir sind ein eingespieltes Team", erklärte auch Gerrit Meincke, Büroleiter für Prozesskostenfinanzierung bei der börsennotierten Foris.

Foris habe vor der Entscheidung, die Finanzierung zu übernehmen, bei ehemaligen AWD-Beratern recherchiert. "Sie haben von den Schulungen berichtet und uns erzählt, was bei Beratungsgesprächen erwähnt werden sollte und was nicht. Wir sind überzeugt, dass Falschberatung stattgefunden hat", sagte Meincke dem STANDARD.

Das Wort Aktie sei bei Beratungen vermieden worden, auf das Risiko von Aktienveranlagungen wurde nicht hingewiesen, die Anlage in Immofinanz hingegen als "sicher, todsicher und mündelsicher" bezeichnet worden.

"Das waren zum Großteil auch keine professionellen Anlageberater, sondern Leute, die ihren Verwandten und Freunden diese Produkte angeboten haben. Viele Berater waren selbst nicht wissender als die Leute, die sie beraten haben", sagte Meincke.

Beginnen wolle man mit einer Sammelklage mit einem Streitwert von zwei Millionen Euro, sagte Meincke. Ehemalige AWD-Berater seien bereit, als Zeugen auszusagen, man sei auch zuversichtlich, Schulungsmaterial des AWD vorlegen zu können.

"Unser Ziel ist nicht, bis zum OGH zu prozessieren, wir wollen versuchen die Vergleichsverhandlungen mit dem AWD wieder aufzunehmen", sagte Meincke. Der Strukturvertrieb sei im Fall von Falschberatung bereit zu Vergleichen, erklärte eine AWD-Sprecherin. Allerdings kenne man die VKI-Fälle nicht und könne daher auch nicht dazu Stellung nehmen. (Gabriele Kolar, DER STANDARD, Printausgabe, 17.2.2009)