Mailand - talien befindet sich in der schlimmsten Krise der Nachkriegszeit. Dies hat nun auch Regierungschef Silvio Berlusconi einbekannt. Anhand der jüngsten Wirtschaftsdaten gab Berlusconi am Wochenende erstmals zu: Die Krise bereitet mir Sorgen.

Italiens Wirtschaft ist 2008 um 0,9 Prozent geschrumpft, mehr als die bereits revidierten Minus 0,6 Prozent. Der Industriellenverband Confindustria sieht für heuer einen weiteren Rückgang von 2,5 Prozent und für 2010 von 0,2 Prozent vorher. Großunternehmen wie Fiat, Pirelli oder Telecom Italia fordern massive Unterstützungen und verschulden sich zusehends bei den Banken. In der Modeindustrie kam es zur ersten großen Pleite: Das Imperium von Gianfranco Ferré ist zahlungsunfähig. Die Zahl der auf Kurzarbeit gesetzten Mitarbeiter hat sich um 500 Prozent erhöht.

Monatelang wollte Berlusconi nicht zugeben, dass sich das Konjunkturklima in Italien zunehmend verschlechterte. Mit zweckoptimistischen Versprechungen hat er sich und seinen Anhängern eine Scheinwelt vorgegaukelt. "Italien wird von der Wirtschaftskrise nur am Rande erfasst, unsere Unternehmen erweisen sich als äußerst stabil, bzw. unsere Banken reagieren besser als alle anderen auf die Finanzkrise" , versuchte er die Situation zu verschönern.

So ist Italiens Regierung mit ihren Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft bisher äußert vorsichtig gewesen. Die beiden Konjunkturpakete sind dürftiger ausgefallen als versprochen. Die Unterstützungsmaßnahmen sind wesentlich geringer als jene in Deutschland, Frankreich oder Großbritannien. Zweifellos will die Regierung den Haushalt nicht zusätzlich belasten. Für 2009 ist bereits ein anteilsmäßiges Defizit von 3,9 Prozent vorgesehen. Die Gesamtschulden des Staates sollen heuer von 103,6 Prozent des BIP auf 109 Prozent zunehmen. So wird das zu Jahresende 2008 verabschiedete Konjunkturpaket von 3,5 Mrd. Euro durch Unternehmenssteuern finanziert.

Ruf nach zusätzlichen Hilfen

Die Regierung in Rom hat zu Jahresbeginn erstmals auf die Wirtschaftskrise reagiert. Mit Konsumanreizen, Steuererleichterungen und Sozialleistungen sollte die Wirtschaft angekurbelt werden. Ergänzt wurde das Paket durch die jüngst erlassenen branchenspezifischen Maßnahmen zur Unterstützung der Pkw-, Motorrad- und Nutzfahrzeugbranche, der Möbel-und Elektrogeräteindustrie. Andere Branchen wie Mode, Stahl, Chemie fühlen sich vernachlässigt. Sie fordern ebenfalls steuerliche Begünstigungen, ähnlich wie sie für die Elektrogeräte- und Möbelindustrie erlassen wurden. (Thesy Kness-Bastaroli, Mailand, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.02.2009)