Zwischen 1998 und 2003 haben die Wiener Stadtwerke rollendes Material im Wert von 1,5 Mrd. Dollar an US-Investoren verkauft und zurückgemietet. Die gut 100 Mio. Euro Gewinn wurden investiert.

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Die Wiener Stadtwerke versuchen aus sogenannten Cross-Border-Deals auszusteigen, wo immer dies ohne Schaden möglich ist. Nach Auflösung zweier Transaktionen ist noch die Hälfte der U-Bahn-Züge und Straßenbahnen gebunden.

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Wien - Ein Grund zum Zittern habe bisher nicht bestanden. Auch sei "nichts im Busch, wo man sagen müsste, hier wird ein Verlust produziert oder ein Aufwand generiert, der in einem besorgniserregenden Verhältnis zum Gewinn wäre . Martin Krajcsir, Finanzvorstand und stv. Generaldirektor der Wiener Stadtwerke Holding, will dennoch "dort, wo es ohne wirtschaftlichen Schaden geht, aus Cross-Border-Geschäften aussteigen", wie er dem Standard sagte.

Dem Beispiel anderer Unternehmen (ÖBB, AUA, Verbund...) oder Gemeinden folgend haben die Wiener Stadtwerke in den 1990er-Jahren begonnen, über komplizierte Konstruktionen öffentliches Eigentum an Investoren zu verkaufen und gleichzeitig wieder zurückzumieten. Durch Cross-Border-Leasings (CBL), so gängige Bezeichnung, konnte der US-Investor Steuern sparen; ein Teil des Barwertvorteils ging in Form einer sofortigen Zahlung an den Leasingnehmer in Österreich zurück.

Die Wiener Stadtwerke haben zwischen 1998 und 2003 in sechs Transaktionen Straßenbahn- und U-Bahn-Garnituren verleast und zurückgemietet. Das Gesamtvolumen belief sich auf 1,5 Milliarden Dollar, nach heutigem Geld 1,18 Mrd. Euro. Der Gewinn daraus (Barwertvorteil) belief sich laut Krajcsir "auf einen hohen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag". Inklusive der inzwischen angefallenen Zinsen sei es "ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag".

Ein Teil des Geldes wurde zur Nachrüstung von Aufzügen im U-Bahn-Netz verwendet, ein anderer Teil zur Anschaffung neuer Niederflurfahrzeuge auf der U6. "Ohne das Geld aus den Cross-Border-Leasings wäre das nicht so rasch gegangen", verteidigt Krajcsir diese Art von Geschäften.

Einigung im Verhandlungsweg

In der Zwischenzeit seien zwei CBL-Transaktionen beendet worden - eine 2006, eine erst dieser Tage. In beiden Fällen sei der Investor an die Stadtwerke herangetreten mit dem Wunsch auf vorzeitige Vertragsauflösung. Während im ersten Fall hundert Prozent des erzielten Gewinns bei den Stadtwerken verblieben sei, habe man im jüngsten Fall einen Teil retournieren müssen. Krajcsir: "Wir haben einen erheblichen Teil des Gewinns behalten und einen kleineren Teil an den Investor zurückgegeben. Das ist fair, weil dieser durch die vorzeitige Vertragsauflösung auf seinen Gewinn in der Restlaufzeit verzichtet hat." Üblicherweise beträgt die Laufzeit von CBL-Verträgen 25 bis 30 Jahre.

Handlungsbedarf habe im konkreten Fall insofern bestanden, als sich das Rating der Depotbank verschlechtert habe. Die Stadtwerke hätten das Depot, auf dem ein Teil des Verkaufserlöses geparkt und zur Bedienung der Leasingraten verwendet wird, verlagern oder zusätzliche Besicherungen beibringen müssen. "Wir haben uns für die dritte Möglichkeit entschieden, den Ausstieg", sagte Krajcsir. Zum jetzigen Zeitpunkt sei weniger als die Hälfte des rollenden Materials der Wiener Linien in Cross-Border-Leasings eingebunden.

Weitere Ausstiegsmöglichkeiten werde man prüfen. "Dort, wo wir den Gewinn ganz oder zum Teil behalten können, gehen wir raus. Wenn die Transaktion zu Ende ist, ist man aus dem theoretischen Restrisiko vollständig raus, was auch einen gewissen Charme hat" , sagte Krajcsir. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.02.2009)