Jerusalem - Nach dem knappen Ausgang der Parlamentswahl in Israel will sich die Kadima-Partei von Außenministerin Tzipi Livni offenbar über eine Regierungsrotation einen Teil der Macht sichern. Eine solche Rotation sei das Mindeste, was seine Kadima-Partei fordern könne, sagte am Sonntag der Minister für innere Sicherheit, Avi Dichter. Zugleich wurde in Jerusalem fieberhaft über die geplante längere Waffenruhe mit der Hamas beraten.

Sicherheitsminister Dichter sagte im Rundfunk, Kadima-Chefin Livni habe bei der Wahl die meisten Stimmen erhalten, dies müsse Likud-Chef Benjamin Netanyahu anerkennen. Eine Rotation sei eine Möglichkeit, die Kadima werde aber nicht als Juniorpartner in eine Koalition gehen. "Wenn Kadima nicht die Macht bekommt, geht sie in die Opposition", sagte Dichter. Die in der rechten Mitte angesiedelte Partei war bei der Wahl am Dienstag mit 28 von 120 Mandaten stärkste Fraktion in der neuen Knesset geworden. Der rechtsgerichtete Likud kam nur auf 27 Sitze; zusammen mit anderen rechtsgerichteten und religiösen Parteien könnte Netanyahu aber eine Mehrheit hinter sich bringen.

Streit um Führung

"Netanyahu kann eine stabile Regierung ohne Kadima bilden - umgekehrt geht es dagegen nicht", sagte der Likud-Abgeordnete Gideon Saar im Militärradio. Allerdings sei es nicht "die beste Lösung", weil sich Netanyahu dafür auch auf die extrem rechten und religiösen Parteien stützen müsste. Der Likud-Chef selbst hat zur Bildung eines Kabinetts der nationalen Einheit mit Kadima und unter seiner Führung aufgerufen. Einen Regierungschef Netanyahu aber wiederum will Livni nicht akzeptieren: "Nur die Kadima kann eine Regierung der nationalen Einheit bilden", sagte sie am Sonntag bei einem Treffen mit den neuen Kadima-Abgeordneten. Schließlich habe Kadima die Wahlen gewonnen. Sollte sie kein Mandat zur Regierungsbildung erhalten, werde sie ihren "Kampf für das Richtige" in der Opposition fortsetzen, so Livni.

Eine Rotation würde bedeuten, dass Livni und Netanyahu je zwei Jahre lang als Chef einer gemeinsamen Koalitionsregierung agieren. Dafür gibt es ein Beispiel in der Geschichte Israels: 1984 hatten die Arbeitspartei und der Likud eine Rotationsregierung gebildet. Präsident Shimon Peres - der sich damals gemeinsam mit dem Likud-Politiker Yitzhak Shamir das Premiersamt geteilt hatte - will frühestens am Mittwoch entscheiden, wem er den Auftrag zur Regierungsbildung gibt. Dies muss laut israelischer Verfassung nicht automatisch der Chef der Partei mit den meisten Mandaten sein. (APA)