Statt beim Postkasterl kann der Empfänger seine Briefe an jedem beliebigen Computer abholen.

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Das U.S. Postal Service blickt auf einen Jahresverlust von 2,8 Mrd. Dollar. Einer der Gründe: Neun Milliarden Poststücke - vom Brief bis zum Paket - wurden im Vorjahr in den Vereinigten Staaten weniger zugestellt. Ein Rückgang, der sowohl auf die Finanzkrise als auch auf das zunehmende Schreiben und Versenden elektronischer Post, sprich E-Mail, zurückzuführen ist.

Während US-Post-Chef John E. Potter darüber nachdenkt, aus Kostengründen die Postzustellung von sechs- auf fünfmal wöchentlich umzustellen, sieht das Start-up-Unternehmen Earth Class Mail (ECM) die große Stunde für seine Lösung gekommen: digitale Postzustellung "echter Briefe".

Prinzip

Das Prinzip dahinter ist simpel: Die Briefe landen nicht mehr im physischen Briefkasten des Adressaten, sondern in einem Scan-Zentrum von ECM. Dort wird der Umschlag eingelesen. Via Internet sieht der Empfänger, ob und was für ihn eingetroffen ist. Per Mausklick entscheidet er dann, was mit dem Brief passieren soll: öffnen und einscannen, sodass er den Brief gleich online lesen kann oder ungeöffnet auf dem klassischen Postweg weiterschicken, vernichten oder zurücksenden.

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Zehntausende Firmen und Privatpersonen haben sich bei ECM bereits ein Internet-Postfach eingerichtet. Das erspart zum Beispiel in ländlichen Gegenden nicht nur den Weg zum oft meilenweit entfernt gelegenen Briefkasten, sondern ermöglicht auch, dass die Post von jedem Computer der Welt angesehen werden kann. Kostenpunkt der Dienstleistung: ab 9,95 Dollar (7,73 Euro) pro Monat.

Das Angebot sei der nächste logische Schritt mobiler Kommunikation, ist ECM-Chef Ron Wiener überzeugt. "Wir machen dasselbe mit Briefen, was das Mobiltelefon mit Telefonanrufen gemacht hat. Früher musste man zu Hause sein, um einen wichtigen Anruf entgegenzunehmen, heute nicht mehr. Genauso kann jeder mit unserem System seine Post bequem überall auf der ganzen Welt per E-Mail lesen."

Grenzüberschreitend

Bei der Schweizer Post ist die Idee auf offene Ohren gestoßen. Sie will noch heuer den ECM-Online-Briefkasten als erste Firma außerhalb der USA zunächst bei den Eidgenossen und dann in ganz Europa einführen - und in der Folge bei der Hauszustellung sparen.

Der Weg zur "Post des 21. Jahrhunderts" wird in Österreich schon beschritten. Die Post-Tochter Scanpoint offeriert Unternehmenskunden seit einiger Zeit einen ähnlichen Dienst. 50 Kunden lassen den Angaben nach in den Post-Vertriebszentren ihre Geschäftspost nach festgelegten Regeln vorsortieren, selektieren, einscannen und in digitalisierter Form an die E-Mail-Boxen der zuständigen Abteilungen zustellen. Bei einigen Kunden seien das bis zu 6000 Poststücke täglich. Internet-Postfächer anstelle von Hausbriefkästen für den Privatbereich anzubieten, daran wird bei der Österreichischen Post mangels "Business Case" (noch) nicht gedacht. Denn die Zustellung privater Post mache lediglich acht Prozent des Geschäfts aus. (Karin Tzschentke, DER STANDARD/Printausgabe, 14.2.2009)