Wien - Über seine Holz- und Bronzefiguren sind die verzwickten Gottsucher-Dramen des Expressionisten Ernst Barlach scheinbar spurlos aus den Gedächtnisspeichern der Dramaturgiebüros verschwunden. Stücke wie "Der Blaue Boll" oder "Die echten Sedemunds", in Wahrheit zentrale Bestandteile eines extrem erklärungsbedürftigen Werks, fristen ein wenig produktives Dasein als Archivbestandsleichen.

Acht Stücke sind - neben zwei nachgelassenen Romanen - von Barlach überliefert. Ihr durchwegs fiebererhitzter, um "Gott" , "Sein" und "Werden" ringender Sprachduktus sperrt sich wie von selbst gegen die heutigen spröden Wirklichkeitseinlassungen auf dem Theater. Dabei lassen sich von Barlachs plastischsten Theaterfiguren durchaus Verbindungslinien ziehen, hin zu den Vitalitätspaketen eines Bertolt Brecht: Seinen Puntila verbinden einige Ähnlichkeiten mit dem vor praller Lebenslust ganz platt- und blaugesichtigen Bauern Boll.

Barlach-Figuren sprechen, auch wenn sie die Arche bauen ("Die Sündflut", 1924) oder gegen die "Nussknackerweisheiten" einer unbegreifbaren Lebenswelt polemisieren ("Der arme Vetter", 1919, Kleist-Preis 1924), ein vor Kraft förmlich überschießendes "Oh-Welt" -Idiom. Oft genug müssen sie des Autors Willen zur Überhöhung am eigenen Sprachleib ausbaden. Gespielt wird er nur mehr selten.

Von den zeitgenössisch Aktiven haben sich die Regisseure Michael Gruner und Frank-Patrick Steckel um Barlach verdient gemacht. Worum es geht? Dass man niemals ist, was man zu sein scheint, sondern wird, was man aufgrund von Anlagen zu sein verdiente. Die Taschenbücher der "Serie Piper" sind Antiquariatsware. (Ronald Pohl, DER STANDARD/Printausgabe, 14./15.02.2009)