Roland Rainers ORF-Zentrum im 13. Wiener Gemeindebezirk war seinerzeit ein innovativer Nutzbau, doch die Lebenszeit ist überschritten. Saniert wird ständig an allen Ecken und Enden, unterm Strich wäre eine Übersiedlung in einen Neubau die ökonomischere Lösung.

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Auch Michael Häupl hält eine Absiedelung des ORF von der schwer
sanierungsbedürftigen Anlage auf dem Küniglberg in Richtung "Media Quarter" in St. Marx für "vernünftig".

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Die in den vergangenen Jahren von unterschiedlicher Seite immer wieder gestreute Meldung, das ORF-Zentrum auf dem Wiener Küniglberg stehe bereits unter Denkmalschutz, war falsch. Wie DER STANDARD berichtete, wird ein entsprechendes Feststellungsverfahren für die letztgültige Unterschutzstellung des Roland-Rainer-Baus eben eingeleitet - und damit gilt die Unterschutzstellung ab sofort.

Der entsprechende Bescheid wird demnächst an den Grundstücks- und Immobilienbesitzer ORF gehen. Die Dauer des Verfahrens ist nicht absehbar, es kann sich gegebenenfalls um Jahre handeln. Denn: Der ORF hat nun erstmals offiziell die Möglichkeit, im Zuge des Verfahrens seinerseits Gutachten über Bauzustand und Benutzbarkeit des morschen Gemäuers vorzulegen - und weder das eine noch das andere entspricht zeitgemäßen Standards.

Die Einleitung des Verfahrens, das von der MA 19 initiiert wurde, macht Sinn und erklärt sich laut Planungsstadtrat Rudolf Schicker auf Anfrage des STANDARD folgendermaßen: "Wir brauchen Rechtssicherheit darüber, welche Möglichkeiten der Veränderung auf diesem Areal überhaupt gegeben sind."

Die mit einer Bruttogeschoßfläche von 150.000 Quadratmetern nachgerade gigantische Anlage ist größtenteils rund 40 Jahre alt und bautechnologisch mehr als überholt. Und: Sie entspricht auch in Architektur und innerer Gebäudelogistik in keiner Weise einem zeitgenössischen Medienunternehmen. Die Burg am Berg hat ihre Lebenszeit bei weitem überschritten, so avanciert ihre Architektur zur Zeit ihrer Entstehung auch gewesen sein mag.

Eine Generalsanierung des Gebäudes würde an die 80 Millionen Euro verschlingen - eine Summe, die vom ORF auf Anfrage weder dementiert noch bestätigt wurde, die sich aber nach gängigen Indizes leicht errechnen lässt. Die dem STANDARD vorliegenden Studien dokumentieren jedenfalls eine Mängelliste, die schier endlos ist.

Sie beginnt beim Tragwerk, das aktuellen Normen nicht entspricht, weil die Auflager der tragenden Struktur nach heutigen Kriterien viel zu kurz dimensioniert sind. Das setzt sich fort bei einer Betondeckung von gerade einem Zentimeter, was über die Jahre die Bewehrungseisen formschön rosten, den Beton abplatzen ließ.

Rost und abplatzender Beton

Dabei wurde noch nicht einmal eingerechnet, dass die der EU-Norm angepasste Erdbebennorm im Falle einer Generalsanierung zu berücksichtigen wäre. Der Bereich Küniglberg wurde von Zone 1 auf Zone3 gewertet, nachzuweisen wären also zumindest dreifache Horizontallasten - ein konstruktives Ding der Unmöglichkeit, soll das Gebäude in seiner baulichen Charakteristik dem Denkmalschutz entsprechend erhalten bleiben.

Weiters im Argen liegen Haustechnik und Wärmedämmung, Brandschutz sowie Belastbarkeit der Decken; und dass die Gebäudehülle an mehreren Stellen immer wieder Lecks aufweist, sollte ebenfalls noch Erwähnung finden.

Das Gutachten eines Schweizer Unternehmens empfahl bereits vor einiger Zeit, die Nutzlast sicherheitshalber auf zwei Kilonewton (entspricht etwa 204 Kilogramm) pro Quadratmeter zu reduzieren, was laut ORF aufgrund der logischerweise im Gebäude befindlichen Maschinerien und technischen Infrastrukturen eher schwierig werden dürfte. O-Ton einer ORF-Führungskraft: "In längstens fünf Jahren erreichen die Schäden eine kritische Größe, dann müssen wir bis zu den Grundfesten absichern, um die Substanz zu erhalten. Die Angelegenheit wird zu einem Fass ohne Boden und steuert in ökonomische Dimensionen, die nicht finanzierbar sind."

Aus diesem Grund ist der ORF längst auf der Suche nach einem geeigneten Grundstück, auf das mithilfe einer Errichtungsgesellschaft ein maßgeschneidertes Haus hingestellt und vom ORF gemietet werden könnte. Dieses wäre mit 80.000 Quadratmetern de facto nur noch halb so groß wie die Burg und würde pro Jahr allein an Betriebskosten rund drei Millionen Euro sparen.

Option St. Marx

Kleine Berechnung: Bei einem günstigen Zinssatz von fünf Prozent, auf 25 Jahre gerechnet, ließe sich mit dieser Differenz bereits die Errichtung des halben Gebäudes finanzieren. Fazit: Wenn der ORF nach betriebswirtschaftlichen Kriterien agiert - oder vielmehr, wenn ihn Politik und Stiftungsräte agieren lassen - siedelt er besser heute als morgen in eine adäquate Neubehausung um.

Von den 14 derzeit beäugten Grundstücken ist nach wie vor jenes im Bereich Baumgasse, St.Marx, das am probatesten erscheinende, nicht zuletzt weil die Stadt Wien dort einen Mediencluster plant und den ORF an diesem Standort als Flaggschiff mehr als begrüßen würde. Finanzstadträtin Renate Brauner äußerte sich unlängst sehr entgegenkommend zu einer Neuansiedlung: "Wir würden das sehr gerne unterstützen."

Auch Stadtchef Michael Häupl hält einen Umzug des ORF in das "Media Quarter" für "vernünftig" , und Rudolf Schicker rundet die stadtpolitisch traute Einigkeit folgendermaßen ab: "Um eine rasche Lösung zu ermöglichen, würden wir, was Widmung und Baubewilligung anlangt, deutlich hilfreich sein."

Was aber geschieht mit der Burg am Berg? Ein denkbares, aber unangenehmes Szenario: Der ORF siedelt aus, engagiert einen Wachdienst und überlässt das Haus ansonsten seinem Schicksal. Die Umwidmung in ein Pensionistenheim schließt Schicker aus: "Der Bedarf ist bis 2030 gedeckt." Er kann sich jedoch eine Nutzung als Bürobau oder als Hotel vorstellen, merkt aber vorsichtig an, dass die Angelegenheit jedenfalls "schwierig wird" .
Gewinn kann der ORF aus der Latifundie kaum schlagen: Ein Abriss der Anlage würde fast so viel kosten, wie das Grundstück wert ist. Nur wenn eine neue Flächenwidmung eine hohe Verdichtung zuließe, bliebe bei einer Veräußerung ein- geringer - Gewinn übrig. (Ute Woltron, DER STANDARD; Printausgabe, Album, 14./15.2. 2009)