Birgit Meinhard-Schiebel: "Gewürdigt zu werden, empfinde ich als Diskriminierung."

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"Die Älteren werden sich dann solidarisieren müssen, wenn die Not zu groß wird", sagt Birgit Meinhard-Schiebel, Vorsitzende der Initiative Grüner SeniorInnen in Wien. Außerdem können sie den "Schmäh mit der Würde des Alters" nicht mehr hören, weil dieser ein "in-die-Ecke-stellen" sei. Im derStandard.at-Interview sprach sie über Johannes Voggenhuber,  traditionelle Seniorenclubs und über den Generationenvertrag. Die Fragen stellte Katrin Burgstaller.

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derStandard.at: Welche Rolle spielen die Senioren bei den Grünen?

Meinhard-Schiebel: Wir haben uns mühsam eine Rolle innerhalb der Partei erkämpft. Die Grünen SeniorInnen sind mittlerweile auch als Delegierte in einzelnen Gremien vertreten und das auch auf europäischer Ebene. Wir werden öfters nicht gefragt, bringen uns aber trotzdem ein.

derStandard.at: Auf Ihrer Website sind markige Sprüche nachzulesen. Sie bezeichnen sich auch als die "Grünen SeniorInnen extrascharf". Sind die SeniorInnen mutiger als die Jüngeren?

Meinhard-Schiebel: Die Jüngeren positionieren sich anders. Wir haben das Gefühl, wir können uns einiges erlauben, weil man uns nichts mehr tun kann. Wir sind freier. Es ist ein Unterschied ob ich eine Karriere machen will - dann muss man mit manchen Dingen vielleicht leben. Wir sagen ganz einfach, was uns stört.

derStandard.at: Zum Thema Älterwerden hört man von der grünen Mainstream-Politik relativ wenig...

Meinhard-Schiebel: Gerade bei den Grünen ist Älterwerden ein Tabuthema erster Klasse. Bei uns sitzen Leute nicht schon seit 30, 40 Jahren in den Gremien herum, so lange gibt es die Grünen ja noch nicht. Das Durchschnittsalter ist 40 oder 45. Mit dem Altern setzen sie sich nicht auseinander. Sie fürchten sich. Zum Themengebiet Alter politische Forderungen zu erheben, macht persönlich Angst.

derStandard.at: Die Landtagsabgeordnete Marie Ringler meint in ihrem Blog in Bezug auf die Causa Voggenhuber, bei den Grünen müsse ein Generationenwechsel her. Werden Ältere bei den Grünen auf das Abstellgleis gestellt?

Meinhard-Schiebel: Nein, ich glaube nicht, dass das am Alter festgemacht wird, sondern an Funktionsperioden. Ich habe trotz dieser seltsamen Ängste vor dem Thema Alter noch nicht erlebt, dass irgendwer etwas nicht geworden ist, weil er zu alt ist. Mein Alter war jedenfalls noch nie ein Problem.

derStandard.at: Wird das Generationenthema in der Politik ausreichend behandelt?

Meinhard-Schiebel: Das Thema ist noch nicht so virulent, aber ich denke, dass das ein politischer Spielball werden kann, der ganz gefährlich ist. Man kann Junge gegen Alte ausspielen. Allerdings muss man damit rechnen, dass es eine immer größere Gruppe von Menschen gibt, die sich dagegen wehrt. Ich denke, die Rechnung, eine Generationenkonflikt heraufzubeschwören, wird nicht aufgehen. Aber die Gefahr besteht trotzdem. Die Älteren werden sich dann solidarisieren müssen, wenn die Not zu groß wird.

derStandard.at: Pensionisten gehen meistens dann demonstrieren, wenn die Pensionsanpassung nicht als ausreichend empfunden wird. Muss man nicht ein bisschen größer denken?

Meinhard-Schiebel: Das ist viel zu kurz gegriffen. Es geht um eine gerechte Umverteilung. Der Einzelkampf bringt niemanden etwas.

derStandard.at: Generationenvertrag und Umverteilung sind ja auch wichtige Themen für die Jungen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den jungen Grünen?

Meinhard-Schiebel: Für uns heißt Generationenvertrag, dass ältere und jüngere Menschen gemeinsam dafür sorgen, dass der Staat sich nicht aus der Verantwortung stiehlt. Wir haben ja zum Großteil unsere gesicherten Pensionen, aber die nächsten Generationen haben sie nicht. Wir setzen uns dafür ein, dass die nächsten Generationen noch eine Pensionssicherung haben, die ihnen eine Überleben sichert. Es geht nicht um uns.

derStandard.at: Kritisieren Sie also auch die Seniorenorganisationen der anderen Parteien?

Meinhard-Schiebel: Ich habe schon immer wieder das Gefühl, dass man versucht, die Leute mit Zuckerl zu fangen. Die Senioren sind ja auch eine große Zielgruppe für die Wahlen. Mit Versprechungen wird diese Generation möglichst ruhig gehalten. In den traditionellen Seniorenclubs werden die Älteren gettoisiert.

derStandard.at: Würden Sie sich gerne mit den anderen Seniorenorganisationen besser vernetzen?

Meinhard-Schiebel: Ja, natürlich, ich will ja keinen grünen Freizeitverein. Ich wünsche mir auf der Ebene der Altenpolitik eine neue Kultur.

derStandard.at: Was stört Sie am meisten im Umgang der Gesellschaft mit dem Alter?

Meinhard-Schiebel: Bei den Grünen Andersrum nennen sie mich Silberlesbe, weil ich weiße Haare habe, das finde ich nett und nicht diskriminierend. Aber den ganzen Schmäh mit der Würde des Alters kann ich nicht mehr hören. "Gewürdigt" zu werden empfinde ich als Diskriminierung. Weil es ein "In-die-Ecke-Stellen" ist und zur Untätigkeit verdammt. Alt zu werden ist außerdem kein Verdienst. (Katrin Burgstaller/derStandard.at, 16. Feber 2009)