Die jüngsten Bilder von Maria Lassnig ("Nasenflucht in die Wasenschlucht", 2007) basieren wieder mehr auf der Linie, wenden sich dem Abstrakten zu.

 

 

Foto: Mumok

Wien - Die Bewegung durch die Ausstellung funktioniert strudelnd. Maria Lassnigs Bilder der 2000er-Jahre, um den von ihr missbilligten Untertitel Das neunte Jahrzehnt zu vermeiden, präsentieren sich wie eine Wildwasserfahrt: Hin und Her werfen uns die Gefühlswelten ihrer Gemälde; ein dynamisches Taumeln, vom Vor und Zurück der Wände noch verstärkt. Gleich zu Beginn eine aggressive, grellgelbe Stromschnelle: Das Selbstporträt 3 Arten zu sein (2004) fädelt Innen- und Außenbewusstsein nebeneinander auf - im Hendlkörper, mit Ferkelnase oder nachdenklich, fast durchsichtig. Kraftvolle, uneitle Beweise für die Fortführung ihrer Körpergefühlsmalerei und für ihre Erkenntnis, über mehrere Seiten von sich selbst gleichzeitig zu verfügen.

Auch einen Halbschritt weiter rüttelt es heftig, führt Lassnig Farbe, Strich und Posen recht gewalttätig vor, reckt in Du oder ich dem Betrachter die Knarre entgegen und hält den Lauf einer anderen gegen sich selbst. Die Energie dieser Bilder unterstreicht, dass Malen Lassnig nicht erschöpft; die Vorbereitungen zu dieser und anderen Ausstellungen allerdings schon. Als sich am Donnerstag im Mumok dutzende Journalisten tummelten, um die 1919 in Kärnten geborene Künstlerin zu erleben, fehlt sie.

Fragen nach den Gründen für das Auftauchen von Männerakten in ihren Bildern, die zum Teil vernichtende, abschätzige Titel wie Kinderschänder, Weltzertrümmerer haben, bleiben also ebenso unbeantwortet wie jene nach den formal ungewöhnlich realistischen Paar-Porträts. Sie arbeitet sich an Adam und Eva ab, an Themen von Zärtlichkeit und Intimität. Diese Gemälde von unglaubwürdiger Unschuld treten in Dialog mit düsteren Arbeiten, die an dramatische Bühnensituationen denken lassen. In ihrem Kärntner Keller hat sie ihren Modellen Plastikfolien umgelegt, die an die in Folie eingeschweißten Obststillleben ihrer New Yorker Zeit erinnern. Fast gespenstisch fängt sich das Blitzlicht in den Falten und rückt die Szenerien aus dem erdigen Milieu heraus. Nur eine Ecke weiter liebenswürdige Bekannte: Lassnigs ab-strus-abstrakte Kopfwesen bevölkern maigrüne Wiesen.

Sanft spült es durch schmunzelnd-ironische Selbstbeschauungen: Ihren Tierstuben mit Meerschwein, Streichelmieze und Affen bekommt das Fehlen von Pathosformeln. Breites Grinsen eint die Besucher vor ihrer "Froschkönigin", denn der grüne Lurch ist der Grande Dame unverwandelt zwischen die Beine gerutscht. Humor sucht man in den Bildern, die sich mit Tod und Alter beschäftigen, freilich vergeblich: In Krankenhaus (2005) ertrinken geschundene Körper unter der Bettdecke. Ein letzter Wirbel, in dem man sich verfängt. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.2.2009)