"Was jemand denkt, ist dem Staat egal", sagt Heribert Schiedel, langjähriger Mitarbeiter der Abteilung für Rechtsextremismus im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW). Aus diesem Grund ist es von vornherein auch nicht illlegal, beim deutschen "Aufruhr"- Versand T-Shirts oder CDs zu bestellen, auch wenn dieser in Österreich wohl verboten wäre. "Sogar wer sich eine CD mit nationalsozialistischem Gedankengut kauft und diese alleine für sich hört, macht sich nicht gleich strafbar. Erst wenn er damit an die Öffentlichkeit geht oder sie weitergbiebt", sagt Schiedel.

Genauer definiert das Gudrun Trauner, Universitätsdozentin am Institut für Verwaltungsrecht in Linz. „Man muss hier zwei Dinge unterscheiden", sagt sie. „Erstens: die persönliche Überzeugung ist straffrei. Zuhause kann ich Nationalsozialist sein, soviel ich will. Das wird nicht bestraft."

Zweitens: "Das Verbotsgesetz greift, sobald ich mich in irgendeiner Form nationalsozialistisch betätige." Grundlage dieses Verstoßes ist die Ideologie des Nationalsozialismus. Wiederbetätigung findet dann statt, wenn dieser Ideologie oder dem Wohlwollen an diese Ideologie auf welche Art auch immer Ausdruck verliehen wird. So steht zum Beispiel im Artikel 1 des Verbotsgesetzes unter Paragraf 3d: "Wer öffentlich oder vor mehreren Leuten, in Druckwerken, verbreiteten Schriften oder bildlichen Darstellungen zu einer (...) verbotenen Handlungen auffordert (...)", wird bestraft.

Es gilt also: Wird zum Beispiel ein T-Shirt bei einem rechten Versand bestellt und die Ware weist nationalsozialistische Insignien auf (wie die Zahl "88", die als Code für "Heil Hitler" herhält), kann das Shirt ungestraft zuhause getragen werden. Geht man damit allerdings in die Öffentlichkeit und wird damit gesehen, fällt dies unter einen der Straftatbestände des Verbotsgesetzes. "Sobald es von der Außenwelt wahrnehmbar ist, verbreite ich nationalsozialistisches Gedankengut. Und das steht unter Strafe", sagt Trauner.

Steigende Anzeigen - Sinkende Verurteilungen

Wäre der "Aufruhr"-Versand ein österreichischer, mit einer österreichischen Internet-Domain, wäre er wegen "anhaltender Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda" verboten. Aber nur, wenn die österreichischen Behörden das Gesetz nach "Punkt und Beistrich umsetzen würden", sagt Schiedel. Bestellt kann dort aber auch aus Österreich werden - denn was sich der Einzelne privat kauft, geht den Staat nichts an.

Dem Verfassungsschutzbericht 2008 nach stieg die Zahl der Anzeigen gegen Delikte des Verbotsgesetzes in den Jahren 2006 - 2007 um 42 Prozent. In den selben Jahren sank die Zahl der Verurteilungen jedoch um ein Drittel. Warum dem so ist, kann Schiedel vorderhand nicht erklären: „Es scheint jedenfalls so, dass die Justiz beim Exekutieren dieser Fälle Probleme hat." Die meisten Verurteilungen finden nach dem Artikel 1 Paragraf 3h statt, der das Leugnen der Verbrechen des Nationalsozialismus unter Strafe stellt.

"Gesamtgesellschaftlicher Rechtsruck"

Seit 2001 komme es zu einem vermehrten Selbstbewusstsein der Rechten - ein Wahlerfolg, wie der bei der vergangenen Nationalratswahl 2008 sei dafür zwar nicht ausschlaggebend, schade aber auch nicht, sagt Schiedel. "Es kam mit der schwarz-blauen Regierung zu einem gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck." Die Justiz, also die Richter und die Staatsanwälte, die jene Fälle über das Verbotsgesetz verhandeln, seien Teil dieser Gesellschaft und vor dem Normalisierungsfaktor nicht gefeit.

Fälle wie der um Grafs Mitarbeiter tun dabei ihr Übriges, so Schiedel. „Leider besteht keine Gefahr, dass das Verbotsgesetz in Vergessenheit gerät", sagt Trauner. Dazu gebe es „bedauerlicherweise" immer noch zu viele Verurteilungen. (saju, derStandard, 12.2.2009)