Wien - Die Wiederholung des Wiener Islamistenprozesses ist Mittwoch am späten Abend mit exakt dem gleichen Urteil zu Ende gegangen wie das Erstverfahren im vergangenen Jahr: Mohamed M. (23) wurde im vollen Umfang der Anklage zu vier Jahren Haft verurteilt, seine Ehefrau Mona S. (22) zu 22 Monaten Gefängnis.

Der Geschworenenspruch ist nicht rechtskräftig, Verteidiger Lennart Binder meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. "Das Gericht und die Geschworenen haben offenbar das ausgeführt, was vom Obersten Gerichtshof gewollt worden ist", sagte er in einer ersten Reaktion zum Standard.

Ruhig, aber kopfschüttelnd nahm Mohamed M. den Spruch entgegen. Zwölf Sicherheitsbeamte waren in den Verhandlungssaal am Wiener Straflandesgericht beordert worden, um ihn dabei unter Beobachtung zu halten. "Warum haben Sie mir nicht gleich zehn Jahre gegeben?" , fragte er in Richtung der Laienrichterbank. Mona S., die von der Urteilsverkündung wegen ihrer Verschleierung ausgeschlossen war, wurde nach Ende der Verhandlung auf dem Gang über das Urteil informiert,

Die Neudurchführung des Prozesses war notwendig geworden, weil der Oberste Gerichtshof den Spruch im ersten Verfahren wegen unkonkreter Fragestellungen zum Teil aufgehoben hatte. Die Fragen an die Geschworenen, ob etwa M. und S. Mitglieder einer terroristischen Vereinigung sind, seien zu unkonkret gestellt worden. Der Fragenkatalog war diesmal länger.

Für ihn gehe es um viel, vielleicht um die gesamte Existenz: Diese bittere Erkenntnis hatte Mohamed M., dem Gericht erst ganz am Ende des Verfahrens mitgeteilt. "Wenn Sie mich verurteilen, ist die Strafe nicht mit der Haftentlassung vorbei. Sondern mein Leben ist vorbei. Als verurteilter Terrorist werde ich überall auf den schwarzen Listen stehen und nirgendwo Arbeit bekommen" , wandte sich der 23-Jährige in seinem Schlusswort an die Geschworenen.

Betroffener Beschuldigter

"Wir sind keine Terroristen!", appellierte er auch im Namen seiner Ehefrau an die fünf Frauen und drei Männer auf der Geschworenenbank. Dabei kämpfte er mit den Tränen: ein Ausdruck persönlicher Betroffenheit, die er davor, in den langen Verhandlungswochen des ersten und zweiten Prozessdurchgangs, nie hatte anklingen lassen.

Denn der junge Mann mit arabischen Wurzeln und österreichischem Pass sieht sich, wie er vielfach betont hat, vor allem als streng gläubiger Muslim. Mit der Globalen Islamischen Medienfront (GIMF) habe er nicht Propaganda für die Terrororganisation Al-Kaida betrieben. Sondern er habe etwas gegen die einseitige "Gedankenkontrolle durch US-Medien etwa im Irakkrieg" unternehmen wollen, beteuerte M. Für Staatsanwalt Christian Walzi keine überzeugende Rechtfertigung: "Ein Schuldspruch ist unumgänglich" , sagte er in seinem Schlussvortrag.

Auf mögliche Gefahren durch eine künftig großzügigere Anwendung der Onlinefahndung im Fall einer Verurteilung Mohamed M.‘s und Mona S.‘ war Verteidiger Binder in seinem Plädoyer eingegangen. Sogar das Konfiszieren von Tagebüchern, "oder wie im Fall der Ermittlungen gegen militante Tierschützer von ganzen Mitgliederlisten von Vereinen" würden dadurch legalisiert. Eine Verurteilung von Mohamed M. und Mona S. würde den Onlinefahndungsehrgeiz der Behörden wohl anstacheln, brachte er vor. (Irene Brickner, DER STANDARD-Printausgabe, 13. Feber 2009)