Religionsunterricht ja, aber wie, fragte Standard-Kolumnist Gerfried Sperl (Mi.) - Alev Korun, Christine Mann, Mouhanad Khorchide und Rüdiger Teutsch  (v. li.) antworteten.

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Wien - Wer sich mit den Göttern - oder auch nur ihren weltlichen Statthaltern - anlegt, dem zürnen die Menschen. Ein paar zumindest. So zu beobachten im Haus der Musik beim Standard-Montagsgespräch zum Thema "Religion und Demokratie - wie frei kann Unterricht sein?" Mouhanad Khorchide, Autor einer heftig diskutierten Studie über Islamunterricht in Österreich, bekam auf dem Weg zum Podium von einem "Glaubensbruder" wenig wohlmeinend zugeraunt: "Ich wünsche Ihnen den Teufel! Kehren Sie zu Gott zurück!"

Das muss Khorchide gar nicht. Er ist dort. Der praktizierende Muslim legte ein überzeugtes Plädoyer für seinen Glauben ab: "Ich kommuniziere sehr gern mit Gott und spüre seine Liebe auch." Der Islamwissenschafter und promovierte Soziologe verteidigte aber auch klar sein Verständnis von Religion, das besage, "dass einem bewusst wird, was man macht, eine inhaltliche Reflexion über sein Tun" .

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Tun der Islam-Lehrer wurde in der muslimischen Community mit großem Vorbehalt aufgenommen, bedauerte Khorchide. Tenor vieler E-Mails an ihn sei gewesen, man wisse ja um die Mängel, "aber muss man das den anderen sagen? Ja wer sind denn ,die anderen‘? Wir sind ja alle in einem Boot." Dazu müsse Muslimen aber auch signalisiert werden, dass sie willkommen seien.

Neben dem medial stark betonten Demokratiedefizit von einem Fünftel der Islam-Lehrer (absolut sind das rund 80 der 400 Lehrenden), in dem Khorchide ein "großes Problem" sieht, aber auch vor einer "pauschalen Diffamierung einer ganzen Berufsgruppe" warnte, ist ihm aber auch der religionspädagogische Aspekt seiner Arbeit wichtig. Für 93 Prozent der Lehrer habe es etwa oberste Priorität, muslimische Kinder "dazu zu befähigen, für Frieden einzutreten" .
Ein "zeitgemäßes religionspädagogisches Konzept für den Islam" müsse also erarbeitet werden, denn die "Notwendigkeit eines öffentlichen Religionsunterrichts aller Glaubensgemeinschaften" steht für Khorchide außer Streit.

Der Religionsunterricht, die Inhalte, aber auch die Schulaufsicht sind in Österreich für anerkannte Religionsgemeinschaften garantiert und den Kirchen selbst überantwortet, erklärte der Leiter der Abteilung Integration im Bildungsministerium, Rüdiger Teutsch. Und diese innerkirchliche Zuständigkeit basiere auf einer "sehr, sehr abgesicherten Rechtsgrundlage" .

Nichts ist in Stein gemeißelt, auch nicht Staat-Kirchen-Belange, entgegnete die grüne Integrationssprecherin Alev Korun. Sie mochte die Position, dass Inhalte konfessionellen Unterrichts, gleich welcher Religion, rein innerkirchliche Angelegenheit seien, nicht teilen: "Das können wir so in einem säkularen Staat nicht ganz akzeptieren." Korun erinnerte an die "Homosexualität heilen" -These des neuen Linzer Weihbischofs Gerhard Maria Wagner, die sie nicht im katholischen Religionsunterricht gelehrt haben wolle.

Für die Abschaffung des Religionsunterrichts ist Korun aber auch nicht. Natürlich solle dieser an öffentlichen Schulen und nicht "in irgendwelchen Hinterhöfen von irgendwem finanziert" stattfinden, aber als Verfechterin eines säkularen Staats plädierte die Grüne, die als Kind in der Türkei islamischen Pflichtunterricht hatte, für Ethikunterricht für alle und Religion als Wahlfach. "Wir haben eine Million Menschen ohne Bekenntnis."

Damit war Korun quasi die Antipodin zur Leiterin des Schulamts der Erzdiözese Wien, Christine Mann, die entgegnete, dass die Säkularisierung nicht das von vielen erwartete "Verschwinden der Religion, sondern eine neue Religionsproduktivität gebracht hat" . Mann betonte die absolute Unentbehrlichkeit eines "theologisch fundierten" Religionsunterrichts: "Je besser und identitätsstärkender sich jede Kirche in die Schule einbringt, umso integrativer kann die Gesellschaft werden." (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD Printausgabe, 11. Februar 2009)