Schon eine Woche vor der österreichischen Vorausscheidung fand die deutsche statt. Hier nun unser Rückblick darauf, was sich am 7. März in der Kieler Ostseehalle ereignete:

Montage: derStandard.at

Bild nicht mehr verfügbar.

Sascha Pierro, der sich ursprünglich "Al Dente" nennen wollte (...), machte mit "Wenn Grenzen fallen" den Anfang: einer zumindest zeitgemäß produzierten Faserschmeichler-Ballade im Stile von Enrique Iglesias oder Ben ... zum Glück jedoch mit geringerem Weltschmerzfaktor.

Foto: APA/dpa

Bild nicht mehr verfügbar.

Als Bostoner Legionärin versuchte sich Charlemaine: "Life" erwies sich als mit Macy Gray-Stimme gesungenes in Midtempo gehaltenes Stück Soul-Pop. Erinnerte stark an Des'ree und ging ziemlich gut ins Ohr - schon jetzt war der Bewerb um Ligen besser als alles, was im Jahr zuvor in Österreich zusammengekratzt worden war. - Zu Charlemaines Leidwesen wird vermutlich allerdings weniger ihr Lied als ihre schrullige Körpersprache in Erinnerung bleiben; Stichwort Katzbuckel ...

Foto: APA/dpa

Bild nicht mehr verfügbar.

Neu war heuer der massive Einfluss von Tageszeitungen: Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung zum Beispiel ("Wegen der PR? Wiiir?? Niieee!") schickte den mit "Meer sehn" bekannt gewordenen Jungen mit der Gitarre mit selbiger und seinem Papa(!) am Klavier ins Rennen. Das offenbar als Antwort auf Nicole gedachte "Die Seite wo die Sonne scheint" mit der Zeile "Heut pflück ich ein paar Blumen und rette die Welt" wurde von der FAZ für superaugenzwinkerironisch und vom Publikum für fad befunden. Protestliederverarsche ist grade momentan nicht so angesagt - immerhin kam von ihm aber das einzige Antikriegsstatement des Abends (nach dem Lied).

Foto: Reuters/Charisius

Bild nicht mehr verfügbar.

"Dub du dubn dara du ..." - was Ralph Siegel unter Disco versteht, durfte Knautschgesicht Lou, die schon vor zwei Jahren mit einem Lied von ihm angetreten war, demonstrieren. "Lets get happy (... let's be gay ...)" wurde von Siegel vermutlich aus irgendeiner seit 1979 nicht mehr geöffneten Schublade hervorgezaubert. Das mit Abstand unzeitgemäßeste Lied des Abends erschreckte mit schrecklichem Musikantenstadl-Refrain und einem oberpeinlichen Backgroundsänger-Pärchen, da halfen auch die Beats nix. Danach setzte es ein paar Buhrufe ... aber wir wissen ja, was draus geworden ist.

Foto: Reuters/Charisius

Bild nicht mehr verfügbar.

Kerzen brannten auf der Bühne, als Musikstudent Elija seine Eigenkomposition "Somehow somewhere" am Klavier vortrug: Eine Ballade im Michael Bolton-Stil. Naja.

Foto: APA/dpa

Bild nicht mehr verfügbar.

Aus dem Schatten des Kreuzes tauchte danach das Stuttgarter Trio Beatbetrieb auf: nach Normal Generation schon wieder eine Christen-Combo, die es sogar bis ins Dreierfinale schaffte. "Woran glaubst du" (...) war eine passenderweise voll und ganz an Pathospastor Xavier Naidoo angelehnte Deutschsoul-Ballade; überhaupt setzte sich das Programm diesmal fast ausschließlich aus Balladen zusammen.

Foto: Archiv

Bild nicht mehr verfügbar.

... und einer Arie: Die Nebel von Avalon wallten über die Bühne und Feuerschalen waberten, als eine Nordfriesin mit dem isländischen Namen Isgaard in Goldtoga über die Bühne wogte. "Golden Key" trug dem kommerziell zunehmend erfolgreich gewordenen Mix aus Klassik und Pop Rechnung. Letztere ging allerdings nicht auf ... ein wenig zu verkrampft vielleicht auch der Vortrag.

Foto: APA/dpa

Bild nicht mehr verfügbar.

VIBE, ein Herrenvierer aus Hamburg, präsentierte armeschwenkend großgestig das R'n'B-Popstück "Für immer". Der Musikstil ist Geschmackssache, aber gegens Niveau kann man nicht viel sagen ... war zumindest nicht schlechter als das, was sich so in den Hitparaden einreiht.

Foto: APA/dpa

Bild nicht mehr verfügbar.

Schon wieder offenes Feuer auf der Bühne - für Pyrotechniker war es echt ein großer Abend. Troje stammen aus Polen und vertreten bereits ihr eigenes Land in Riga. Zu einer Terminkollision wird es jedoch nicht kommen, denn dem an Dschinghis Khan erinnernden "Liebe macht Spaß" (hätte echt von Ralph Siegel stammen können) blieb in Deutschland der Erfolg verwehrt. Bemerkenswert: das Outfit der Co-Sängerin, das aus FDJ-Jacke und Tartanrock bestand. Und, ja: eeendlich mal Uptempo!

Foto: Reuters/Charisius

Bild nicht mehr verfügbar.

Danach hieß es: bitte Ohrstöpsel reinstecken! Die aus tausenden Bewerberinnen zusammengecasteten fünf Mädchen von Lovecrush hatten ihren ersten TV-Liveauftritt ... und versiebten ihn gleich gründlich. Bei "Love is life" kann man sich vorstellen, dass er im richtig produzierten Studio-Mix ziemlich gut klingt - doch so gräulich, wie die fünf an den richtigen Tönen vorbeikrähten, geht's leider nicht. Buhrufe im Saal für die einzige wirklich dilettantische Darbietung des Abends. Trost: Bei mehr Übung können sie noch gut werden.

Foto: Archiv

Bild nicht mehr verfügbar.

Mit Elmar Brandts Die Gerd Show lebte noch einmal die deutsche Spasskultur, die dem Grand Prix schon Preziosen wie Stefan Raab oder Rudolf Moshammer beschert hatte, auf. Von der "Bild"-Zeitung gestützt und die CSU ergötzend (trotz Che Guevara-T-Shirt) lieferte Brandt mit "Alles wird gut" eine Fortsetzung des "Steuersongs" ab: Schröder-Rap, Schröderkopftänzer usw - kennt man ja. Weit entfernt von gut, hätte aber schlimmer kommen können - und wird im Sommer sicherlich auf diversen Grillfesten erschallen. Jubel und Gebuhe hielten sich beim Publikum danach die Waage.

Foto: APA/dpa

Bild nicht mehr verfügbar.

Vom anderen Ende des politischen Spektrums kam die Sängerin Senait: sie war die Kandidatin der linksalternativen Zeitung taz, die den Text zu "Herz aus Eis" aus LeserInnenvorschlägen auswählte und sich überdies deutlich ehrlicher als die FAZ ausgiebig über den PR-Effekt freute. "Herz aus Eis" war eine sanfte Moll-Ballade mit eher durchschnittlichem Refrain und schaffte es nicht ins Finale.

Foto: Reuters/Charisius

Bild nicht mehr verfügbar.

Nach dem Auftritt der ein wenig profillosen Deutschpopper Freistil ("Hörst du meine Lieder") und der im Oli P-Stil agierenden Tagträumer ("Living in a perfect world" - ein "Zeichen deutsch-türkischer Freundschaft für Europa") war der Bewerb durch. Lustig: Als der Tagträumer-Sänger mit der nur halb so großen Gastsängerin Aynur die Textzeile "hand in hand" tatsächlich Hand in Hand sang, sahen sie aus, als würden sie im Paternoster aneinander vorbeifahren.

Nun war das Publikum aufgerufen, die besten drei Beiträge per Televoting zu wählen.

Foto: Reuters/Charisius

Bild nicht mehr verfügbar.

In der Zwischenzeit ließ sich Neo-Publikumsliebling Dieter Bohlen abfeiern und sonderte wieder einmal einen bemerkenswerten Satz ab: "Ich seh mich als Steigbügelhalter für Künstler - reiten müssen sie alleine." Und so ließ er im Showprogramm sein treustes Pferdchen Thomas Anders traben und präsentierte die neue Modern Talking-Single. Bezeichnender Titel: "TV makes a superstar" ... Also da beißen sich so viele Katzen in die Schwänze, dass einem ganz Verona wird im Kopf.

Foto: APA/dpa

Bild nicht mehr verfügbar.

Das markerschütternde Ergebnis des ersten Wahlgangs: alle guten Lieder ausgeschieden, ins Finale kamen Elmar Brandts Polit-Travestie, die Kirchenknaben von Beatbetrieb und Lou. - Was blieb einem da noch anderes übrig, als im zweiten Wahlgang auf Lou zu hoffen? Und tatsächlich: sie schaffte es.

Foto: Reuters/Charisius

Bild nicht mehr verfügbar.

Wieder einmal hatte sich die Grand Prix-Gemeinde Deutschlands als Außeneinflüssen gegenüber resistent erwiesen. Gewählt wurde, wie schon bei Corinna May, eine Sympathieträgerin der Songcontest-Fans - und das denkbar altbackenste Stück Happy Sound, das man sich vorstellen kann. Siegel halt.
(Josefson)

Reuters/Charisius