Foto: Diagonale

Sprechende Expertenköpfe geben kurze Stellungnahmen zum Werk des Künstlers ab, dazwischen sind computeranimierte, gezeichnete Selbstporträts des Malers zu sehen - Stephan Setteles Film Erwachen aus dem Schicksal. Hommage to Edmund Kalb (1900-1952) beginnt scheinbar gemäß den Konventionen einer TV-Künstler-Doku.

Schnell wird jedoch klar, dass etwa Schnellschnitt oder Morphings, die das Gesicht in unzähligen Variationen erscheinen und ineinander übergehen lassen, im Hinblick auf Arbeit und Arbeitsweise Kalbs zum Einsatz kommen:

Über tausend entsprechende Blätter hat er angefertigt, sein Gesicht dabei bis auf wenige Striche abstrahiert oder es aus dichten Schichten von Kritzeleien quasi herausgeschält, die Proportionen verschoben oder eine verzerrende Perspektive gewählt. Abgesehen von seiner Tätigkeit als Maler hat sich Kalb eingehend - und ähnlich obsessiv - mit mathematischen Problemen oder technischen Neuerungen auseinander gesetzt.

Unter anderem, so heißt es im Film, entwickelte er "einen Plan, wie man diverse seelische Vorkommnisse und auch Abartigkeiten mit Hilfe eines elektrischen Gerätes sichtbar in Kurven verwandeln könnte, sodass sich zum Beispiel eine bestimmte Kurve ergäbe, wenn er sich unter diesen oder jenen Bedingungen künstlerisch betätige".

In der Folge entstehen in Gesprächen mit Angehörigen, Weggefährten und Bekannten des Dornbirner Künstlers sowie vertiefenden Ausführungen von Kunsthistorikern Ansichten eines unbeirrbaren Einzelgängers, der gegen gehörige Widerstände von Familie und Behörden sein Leben als Zeichner und Privatgelehrter führte.

Settele inszeniert dazu kleine Spielszenen, in denen Kalbs Wanderungen und Betrachtungen nachgestellt, oder Aktennotizen und Prozessberichte rezitiert werden. Und auch dabei wird nicht versucht, etwas eins zu eins zu rekonstruieren - die Verortung in der Gegenwart wird kenntlich gemacht. Und die Sprödheit des künstlerischen Lebensentwurfs findet in dieser filmischen Hommage, dieser Wiederentdeckung eines "Kompromisslosen" ihre Entsprechung. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.10.2002)