München - Der afghanische Präsident Hamid Karzai hat den Westen mitverantwortlich für das Erstarken der Taliban in seinem Land gemacht. In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstagsausgabe) warnte er davor, dass willkürliche Militäraktionen der US-Truppen die Position seiner Regierung schwächen und den "afghanischen Rechtsstaat unterwandern". Karzai forderte die neue Regierung in Washington auf: "Hört auf mit zivilen Opfern, hört auf mit den Festnahmen und den Hausdurchsuchungen." Notwendig sei eine "Strategie, die sich mehr darauf konzentriert, Frieden herbeizuführen".

Nach dem Sturz der Taliban vor mehr als sieben Jahren hätten sich die internationalen Truppen "nicht rechtzeitig um die Rückzugsgebiete jenseits der Grenze gekümmert", kritisierte Karzai. Die Truppen müssten vor allem im Süden eingesetzt werden und dafür sorgen, dass die Grenze zu Pakistan besser gesichert werde. In den pakistanischen Stammesgebieten hatten die Taliban sich neu organisiert und von da aus die Rückeroberung von Gebieten in Afghanistan gestartet.

Korruption

Karzai, der auch eigene Fehler einräumte, zum Beispiel bei der Bekämpfung der Korruption, bekräftigte seine Bereitschaft zu Verhandlungen mit Taliban, die nicht zum Al-Kaida-Netzwerk gehören. Im Falle einer Einbindung der Islamisten könnten seiner Ansicht nach auch Teile der Scharia-Gesetzgebung angewendet werden, denn Afghanistan sei "eine islamische Republik und der Islam die Grundlage des Rechtssystems".

Deutschland bezeichnete Karzai als "größten Freund Afghanistans". Er sei dankbar für den Einsatz der Bundeswehr und werde nicht um zusätzliche Soldaten bitten. "Aber wenn Deutschland von sich aus entscheidet, mehr zu tun, sind wir sogar noch dankbarer", fügte er hinzu. (APA)