So deutlich hatte niemand das Ja der Schweizer Stimmbürger zum freien Personenverkehr erwartet. Letztlich war wohl die Angst vor der Zuwanderung von einigen tausend Rumänen und Bulgaren kleiner als die Angst davor, den wichtigsten Wirtschaftspartner, die EU, mit einem Nein vor den Kopf zu stoßen.

Kein Wunder in Zeiten der Krise: Angst dominierte den Abstimmungskampf - Angst vor Zuwanderung hier, Angst vor einer Retourkutsche aus Brüssel da. So erschien die Personenfreizügigkeit als kleineres Übel. Das Wort EU-Beitritt wagte im Vorfeld der Abstimmung niemand in den Mund zu nehmen, aus Angst davor, das Nein-Lager zu stärken.

Doch Angst ist ein schlechter Ratgeber: Einmal mehr wurde damit eine offene Diskussion über das grundsätzliche Verhältnis der Schweiz zu Europa verhindert. Lieber fährt die Schweizer Regierung weiter ihr bilaterales Sonderzüglein und lässt das Volk auch bei nächster Gelegenheit wieder über den „autonomen Nachvollzug" eines Brüsseler Beschlusses abstimmen. Das Gestalten der europäischen Realitäten überlässt sie weiterhin den anderen.

Immerhin haben Sozialdemokraten und Grüne noch am Sonntagnachmittag die Gelegenheit beim Schopf gepackt und das überraschend deutliche Ja als Anstoß für eine neue EU-Beitrittsdebatte interpretiert. Man darf gespannt sein, was aus diesem Anlauf wird. Entscheidend wird sein, ob die bürgerlichen Parteien die Gunst der Stunde zu nutzen wagen - oder ob sie sich mit weiteren Schrittchen auf dem bilateralen Weg begnügen wollen. (DER STANDARD Printausgabe, 9.2.2009)