Bild nicht mehr verfügbar.

Ludwig Salvators Werk "Die Balearen in Wort und Bild" - im Original rund 6000 Seiten - sind hauptsächlich hier in seinem Pavillon in Son Marroig entstanden.

Noch tobt der kalte Wind in der Tramuntana. Streng werden die Kiefernwälder gebürstet, in den Eichenwäldern ist es feucht und dunkel, die Terrassen an den Steilhängen sind jetzt unbeackert. Während im Inselinneren bereits die Mandelblüten verblühen, sitzt an der Nordwestküste Mallorcas noch der Winter. Die Gebirgskette ist der wohl tatsächlich letzte Ort auf der Insel, an dem der Frühling einzieht, doch im Hochsommer lässt es sich hier umso besser aushalten.

Das wusste auch Mallorcas erster Zweithausbesitzer, der Habsburger Erzherzog Ludwig Salvator, neuntes von zehn Kindern des Großherzogs Leopold II. von Toskana und der Großherzogin Maria Antonia von Neapel-Sizilien. Er kam meist im Frühjahr nach Mallorca, an Bord seiner Yacht "Nixe", und verbrachte viele Wochen in seinem Anwesen Son Marroig.

An diesem Ort pflegte Ludwig Salvator zu leben und zu arbeiten - wenn er nicht gerade auf der "Nixe", seiner eigentlichen Heimat, segelte. Begleitet wurde der unverheiratete Freigeist von einer kleinen Wahlfamilie, zu der ein Privatsekretär, dessen Frau und Kinder, Erzieherinnen und Konkubinen, ein Kapitän und ein Priester sowie Affen und Papageien gehörten. Fässer voll Pils, Gerätschaften zur Landvermessung, eine Fotokamera, stapelweise Notizbücher und ein Grammofon nahm er mit.

Jurist und Mittelmeerordner

Der studierte Jurist und leidenschaftliche Nautiker, Botaniker, Ethnologe, Historiker, Illustrator und Dichter erlebte in Wien und Prag den Beginn der industriellen Revolution und erkannte, dass die Weltordnung rund um das Mittelmeer nicht mehr lange gelten würde. Das Dasein der Menschen war von den Jahreszeiten, von Armut und Isolation geprägt. Den weitgereisten Habsburger faszinierte diese Lebensform, ja er suchte sie selbst und widmete ihr schließlich ein einmaliges Dokument: das Mammutwerk "Die Balearen in Wort und Bild geschildert", veröffentlicht zwischen 1871 und 1890 bei Brockhaus in Leipzig. Diese beinahe erschöpfende Abhandlung über Mallorca, Menorca, Ibiza und Formentera brachte dem Erzherzog auf der Pariser Weltausstellung 1878 eine Goldmedaille ein - jetzt ist sie allseits zugänglich.

Auf einer Webseite hat der Wiener Anwalt und Salvator-Fan Wolfgang Löhnert einen großen Teil der Bücher des rastlosen Habsburgers digitalisiert. So kann man dort zum Beispiel über die Seiten des siebenbändigen Buches der Balearen surfen oder sich auf eine Zeitreise zu den Liparischen Inseln vor Sizilien, auf das griechische Zakynthos, nach Tunesien, Ägypten, nach Opatja oder nach Zindis bei Triest begeben - mit dem Finger auf der Maus und immer der "Nixe" nach.

Dem Erzherzog real nachzureisen ist noch heute eine gute Idee - auf Mallorca geht das freilich besonders einfach. Für diese Insel schlug Ludwig Salvators Herz, hier wählte er seine Familie, hier lebte seine Vertraute Catalina Homar, eine Tischlerstochter aus Deià.

Station einer Sehnsucht

Für sie, die ihn später auch auf seinen Reisen begleitete, ließ er ein Haus am Sehnsuchtsort schlechthin errichten: S'Estaca steht hoch über den Klippen der Tramuntana-Küste und hat auch Michael Douglas verzaubert, bevor er es jüngst wieder an einen Landsmann verkaufte. Das strahlend weiß gekalkte Haus kann man nicht besichtigen, aber ein Weg führt von Valldemossa oberhalb des Gebäudes die Küste entlang und gibt den Blick darauf frei. Eine Wanderung hier unternimmt man aber am besten erst ab Mai, denn früher im Jahr pfeift der Wind vom Norden noch bis weit ins Landesinnere.

Der Neffe von Kaiser Franz Joseph kaufte zwischen 1872 und 1901 auf der noch unberührten Insel insgesamt zwölf zusammenhängende Grundstücke und schuf so einen rund 1700 Hektar großen Garten Eden. Einheimische bebauten für den einst größten Arbeitgeber der Gegend die Terrassenlandschaften mit Wein, Tomaten und Oliven, und sie hüteten seine Wälder, in denen kein Baum gefällt, kein Tier geschossen werden durfte.

Und sie legten ein dichtes Wegenetz an, bauten Aussichtspunkte, Raststätten und Kapellen, betrieben Schenken und Herbergen für erste Reisende der k. u. k. Monarchie. Von fast jedem Punkt aus hatte man Meerblick, deshalb nannte der Österreicher sein Reich mit einem ehemaligen Kloster als Herzstück schließlich "Miramar". Unter den Gästen war auch Kaiserin Elisabeth, die zweimal neben der seither natürlich berühmten Felszunge Sa Foradada ankerte.

Das 16 Kilometer lange Refugium des "Arxiduc", wie die Mallorquiner ihn nennen, erstreckt sich heute weitgehend unverändert auf den Gemeindegebieten von Valldemossa und Deià. So hat der Forschungsreisende und Romantiker Wanderern wie Seglern eine einmalige Landschaft hinterlassen. Die Regionalregierung der Balearen will den Landstrich nun zum Biosphärenreservat erklären oder als Naturdenkmal unter Unesco-Schutz stellen lassen und ihn zugleich nur für nachhaltigen Tourismus erschließen. Das wäre wohl ganz in Ludwig Salvators Sinn. (Brigitte Kramer/DER STANDARD, Printausgabe, 7./8.1.2009)