Von der Lawine verschüttet, fast erstickt: Gleich wird Désirée Nosbusch Tee servieren: "Die Jahrhundertlawine" bringt ...

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... Alpinführer Uwe Grinzinger nur am Beginn zum Schmunzeln. Die Schmonzette verharmlost und leidet an groben Drehbuchschwächen.

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"Die Jahrhundertlawine": Sonntag, 8. Februar, 20.15 Uhr, ORF 1 und RTL

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Es ist dem ausgeglichenen Wesen Uwe Grinzingers zu danken, dass er nach 90 Minuten Die Jahrhundertlawine immer noch gut gelaunt ist. "Ich bemühe mich ja, etwas daran gut zu finden", sagt der Alpinführer ratlos. Es misslingt. Zu haarsträubend ist die Geschichte: Ein Auto wird von der Lawine erfasst und verschüttet. Helfer beginnen hektisch, mit den bloßen Händen zu buddeln. Der Lawinenschnee ist weich wie Pulver, also kann auch das verschüttete Auto in Minuten fein säuberlich ausgegraben werden.

Grinzinger betreut hauptberuflich Langzeitarbeitslose in Niederösterreich, fotografiert, schreibt für das Outdoormagazin "Land der Berge" und führt für den Alpenverein. DER STANDARD bat ihn zum Lokalaugenschein.
Zehn Jahre nach dem Unglück von Galtür schicken RTL und ORF eine fiktive Lawine nach Vent. Der Bürgermeister von Galtür soll über die Auswahl des real existierenden Spielfilmdorfs dem Vernehmen nach recht froh gewesen sein. Die Venter selbst protestierten, es half nichts. "ei der Geschichte handelt es sich um Fiktion", informiert die Homepage des Ferienorts ängstliche Gäste.

Aus heiterem Himmel löst sich im Fernsehen der Eisbruch und donnert in die Tiefe. "Die seltene Ausnahme", sagt Grinzinger: "Meistens braucht es den Menschen, der die Lawine austritt." Tourengeher, Ski- oder Snowboardfahrer, die die Pisten verlassen. Schon der Titel sei irreführend, kritisiert Grinzinger. Mehrere "Jahrhundertlawinen" seien etwa 1954 im Walsertal mit rund 80 Toten abgegangen.

In Galtür starben am 23. Februar 1999 nach einem Lawinenabgang 31 Menschen. Und als ob das nicht tragisch genug wäre, packt der Film noch privates Drama in die Katastrophe: Der Arzt und Held (Vincent Perez) verliert seinen Bruder Jahre zuvor und verlässt das Dorf, damit auch seine Lebensgefährtin (Désirée Nosbusch). Dass er einen neunjährigen Sohn hat, erfährt er erst bei seiner Rückkehr.

Fenster bleiben ganz

"Désirée Nosbusch als Tiroler Bergretterin ist sehr authentisch", scherzt Grinzinger. Die Lawine reißt die beiden im Auto weg, die Fenster bleiben vorausschauend ganz. "Das sind Tonnen an Gewicht, Fenster bleiben da kaum ganz", wundert sich Grinzinger. Die Verschütteten suchen hektisch Auswege: "Genau das Gegenteil" sollte man tun, wenn man vollständig verschüttet wird und sich nicht sofort selbst befreien kann, sagt Grinzinger. "Ruhe bewahren und warten." Die Befreiung im Film gelingt trotzdem, und Nosbusch - eben noch am Rande des Erstickungstodes - serviert den Verletzten bald darauf Tee.

Schließlich muss sogar noch eine Notoperation durchgeführt werden. Je länger der Film dauert, umso nachdenklicher wurde Grinzinger: "Was müssen sich Überlebende und Angehörige denken, wenn sie das sehen? Alles wird verniedlicht." Darüber hat beim Film „Die Jahrhundertlawine" offenbar niemand nachgedacht. (Doris Priesching, DER STANDARD; Printausgabe, 7./8.2.2009)