Ölflecken zeugen noch von der Massenkarambolage mit sieben Autos, bei der eine Frau starb - Das Heer stellt einen Zusammenhang mit seiner Übung "nicht mehr in Abrede"

Foto: Heribert Corn

Wien - Den Kampf im Dunkeln sollten die Rekruten kennenlernen, die sich am 22. Jänner auf dem Truppenübungsplatz in Korneuburg tummelten. Nur durch ein kleines Waldstück von der Donauuferautobahn getrennt, auf der der Donnerstagsabendverkehr rollte. Der unübersichtlichste Teil kam gegen Ende: Fünf Nebelhandgranaten wurden gezündet. Das Übungsziel: Sich im Schutze des wallenden Rauchs zurückziehen. Minuten nach der Zündung kam es zu einem Knall: Auf der Autobahn hatte sich eine Massenkarambolage ereignet.

"Ich kann einen Kausalzusammenhang zwischen der Übung und dem Unfall nicht in Abrede stellen", erklärt Freitagvormittag Paul Kritsch bedrückt. Was der Generalmajor erst nach Fragen der Journalisten in vollem Umfang eingesteht: Der Übungsleiter und der Gruppenkommandant haben sämtliche geltende Regeln ignoriert.

Nicht nur, dass die Nebelschwaden lediglich 110 Meter von der Autobahn entfernt produziert worden sind und nicht, wie vorgeschrieben, 300 Meter entfernt. "In der Benutzungsordnung für das Übungsgelände ist der Einsatz von Wirkmitteln ausgeschlossen", sagt Kritsch. Im Klartext: Egal ob mit Sicherheitsabstand oder ohne - hier hätte niemals eine Nebelgranate eingesetzt werden dürfen.

Warum die beiden Bundesheerangehörigen die Vorschriften ignoriert haben, konnte oder wollte am Freitag niemand sagen. Zeit genug, um sich zu informieren, hatten sie. "Eine derartige Übung muss schon in der Woche zuvor auf dem Dienstplan stehen. Die Anmeldung für den Übungsplatz erfolgt weit vorher", erklärt Heeressprecher Peter Barthou dem Standard.

Höchst fragwürdig ist auch das von Paul Kritsch, dem Leiter der Heeresabteilung "Kontrolle", geschilderte Geschehen nach der Karambolage. "Der Übungsleiter ist Richtung Autobahn gegangen. Dort hat er die Blaulichter von Einsatzfahrzeugen gesehen und ist zurückgekehrt."

Keine Hilfe ohne Warnwesten

Ob er festgestellt hat, welches Ausmaß der Unfall hatte und ob vielleicht die Hilfe der drei Gruppen Soldaten, etwa bei der Bergung von Verletzten, nötig gewesen wäre? "Nein, er hat in die Unfallstelle keine Einsicht gehabt." Die Militärärzte hätten aber ausgesagt, Hilfe wäre nicht möglich gewesen - unter anderem, weil keine Warnwesten vorhanden waren. "Und ohne die dürften Soldaten nicht auf die Autobahn", verteidigt Kritsch seine Untergebenen.

Zur Frage, ob den Rekruten dezidiert verboten wurde, Hilfe zu leisten und sie eingeschüchtert worden sind, gehen die Meinungen auseinander. Ein Drittel der Grundwehrdiener fühlte sich unter Druck gesetzt, ein Drittel nicht - und die übrigen sagten vor den Heeresermittlern nicht aus.

Relativ einheitlich waren aber die Aussagen zur Bewegung des Nebels: Er wabberte Richtung Autobahn und hüllte die Raststätte kurz ein. Die tauchte aber rasch wieder auf. Ob der Nebel dann 160 Meter weiter bis zur Unfallstelle zog, ist noch offen. Berichte gibt es auch über natürlichen Bodennebel, der von der Donau aufstieg.

Wie der Unfall exakt verursacht worden ist, darauf muss die Staatsanwaltschaft Korneuburg die Antwort finden. Gegen die beiden Bundesheerangehörigen wird vorerst weiter wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. "Wir erwarten in den nächsten Tagen einige Gutachten, dann können wir weitere Untersuchungsschritte planen", sagt Behördensprecher Lambert Schöfmann. - Der auch nicht ausschließen will, dass es schlussendlich noch mehr Beschuldigte gibt - etwa wenn Autofahrer zu schnell gefahren sind. (Michael Möseneder/DER STANDARD, Printausgabe, 7./8.2.2009)