Es ist ein fast schon althergebrachtes Ritual: Die Schweizer Bürger sind in regelmäßigen Abständen genötigt, über Entwicklungen abzustimmen, die federführend in Brüssel angestoßen wurden. Und sie können - mit etwas Vernunft und Eigennutz betrachtet - trotz basisdemokratischer Verfasstheit wenig mehr tun, als gutzuheißen, was ihre Regierung kaum beeinflussen konnte. Bei der Vorlage vom Sonntag über die Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien ist das im Grunde wieder so.

Trotz der Unabhängigkeitsfolklore, die viele Eidgenossen so gerne pflegen, ist die Schweiz aufs Engste mit der Europäischen Union verwoben. Zwei Pakete bilateraler Verträge regeln das Verhältnis bis in die letzten Details. Bern zahlt sogar erhebliche Summen in die Brüsseler Fonds ein, um die Kosten der jüngsten Eweiterungsrunden mitzufinanzieren. Mitzureden allerdings haben die Schweizer in Brüssel - Stichwort Erweiterung - nichts. Und zwar deswegen, weil sie selbst lieber am Katzentisch der Union Platz genommen haben, statt an der Tafel der Mitglieder zu sitzen.

In dieser Konstellation ist es fast unumgänglich, dass jede der Abstimmungen über Vertragsadaptionen von antieuropäischen Kräften in der Schweiz zur Grundsatzfrage stilisiert wird. Ein Nein am Sonntag wäre in dieser Hinsicht fatal. Andererseits könnten die Konsequenzen daraus durchaus heilsam sein: Vielleicht ist es notwendig, dass die EU den Schweizern, deren Beitrittsansuchen seit 1992 ruht und die darin seit 2006 kein strategisches Ziel ihres Landes mehr sehen, einmal die realen Machtverhältnisse verdeutlicht.  (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 6.2.2009)