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Bernhard Madoff, ehemals Börsenguru, mutmaßlich Milliardenbetrüger: Viele Anleger wissen noch gar nichts von ihren Verlusten.

Foto: Reuters/McDermid

Wien/Madrid - In die Causa Madoff kommt ein kleiner Lichtblick: Im vermeintlich größten Betrugsfall der US-Wirtschaftsgeschichte sind rund 950 Millionen Dollar (738 Mio. Euro) sichergestellt worden. Das Geld soll über einen Fonds an die geschädigten Anleger fließen.
Die Chance, dass europäische Investoren von diesem Geld etwas sehen, schätzen Experten allerdings als gering ein. Die 950 Mio. Dollar sollen an die Direktkunden des Brokerhauses Madoff Securities fließen bzw. an jene Investoren, die über Fonds Anteile bei Madoff gehalten haben. Europäische Banken - etwa die spanische Bank Santander - haben angekündigt, Gelder zumindest an die Privatanleger zurückzahlen zu wollen.

Kein schneller Geldsegen

Heimischen Madoff-Anlegern dürfte aber kein schneller Geldsegen winken. Die Bank Austria (BA) - sie hat die Primeo-Fonds vertrieben - nimmt dazu keine Stellung. In Finanzkreisen wird eine Rückvergütung durch die BA ausgeschlossen, da es sich beim Großteil der BA-Primeo-Kunden um institutionelle Anleger handle. Und diesen böten auch andere Banken keine Entschädigung an. Pioneer Alternative Investment, Verwalterin der Fonds "Primeo Select" und "Primeo Executive" , hat in den USA Anwälte eingeschalten, um Anlegerinteressen zu vertreten. Die ebenfalls involvierte Bank Medici sieht sich nicht zu Entschädigungen verpflichtet; ihrer Ansicht nach liege die Verantwortung bei der Depotbank HSBC Luxemburg.
Freuen dürfen sich gerade 22 Medici-Kunden. Ihre Gelder, die in den Herald Fonds investiert werden sollten, mit denen aber keine Fondsanteile gezeichnet wurden, werden zurückbezahlt. Dem Vernehmen nach geht es um einen zweistelligen Millionenbetrag.

Klagswelle rollt an

Europäische Madoff-Geschädigte wollen die Wiener Bank Medici, die Schweizer UBS, die britische HSBC und den Wirtschaftsprüfer Ernst & Young auf hunderte Millionen Euro Schadenersatz klagen. "Wir glauben, es gibt eine Haftung bei den Vermögensverwaltern, Depotbanken und Wirtschaftsprüfern" , sagte Erik Bomans von der Anlegervertretung Deminor. Der HSBC und UBS wird vorgeworfen, Madoff und seine Geldflüsse nicht genau überprüft zu haben, schreibt das Handelsblatt. Die Depotbank müsse nach luxemburgischem Recht jederzeit wissen, wo, wann, wie viel Geld investiert sei, so der Anwalt. Das sei "eindeutig nicht der Fall" gewesen.
Bei der Wiener Staatsanwaltschaft wurde indes die erste Strafanzeige in Sachen Madoff-Skandal eingebracht. Die Bank Medici und deren Eigentümerin Sonja Kohn (es gilt die Unschuldsvermutung) wurden wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue angezeigt, berichtet das Magazin Format. Die Staatsanwaltschaft bestätigt das.
Eingebracht wurde die Anzeige von Anwalt Gabriel Lansky im Auftrag von Medici-Kunden. Die Fonds seien von Kohn als "Low Risk Fonds und absolut,‘mündelsicher‘ verkauft worden" , heißt es in der Anzeige. "Sonja Kohn bediente sich der zentralen Strategie, Beschaffer von Anlegern der Madoff-Fonds zu sein, um das betrügerische ,System Madoff‘ aufrechtzuerhalten" , zitiert Format.
Am Mittwoch wurde zudem eine 162-seitige Liste von Madoff-Opfern veröffentlicht. Darin stehen auch die Bank Medici, Bank Austria und die ehemalige Creditanstalt-Bankverein - sowie Madoffs Söhne und sein Bruder.

Böse Überraschung

Weitaus größere Dimensionen als angenommen dürfte der Fall in Spanien haben. Die Anwälte der spanischen Sozietät Cremades & Calvo Sotelo glauben, dass rund 30 Prozent der Geschädigten, meist Pensionsvorsorgezahler, noch nichts von den Auswirkungen des Betrugs wüssten. Laut spanischen Medien könnte die Zahl der Madoff-Geschädigten drei Millionen erreichen. Javier Cremades vertritt mit 30 weiteren Kanzleien etwa 2900 Betroffene, die sich als "Gruppe der Madoff-Geschädigten" formierten. Sie sollen 120 Mio. Euro verloren haben. "Wir erwarten bis zu 15.000 Klagen" , sagt Cremades zum Standard und spricht von einer Situation, "wo ein jeder jeden klagt" . Juristisch verantworlich könnten viele sein, sagt der spanische Anwalt: "Fonds-Manager, Versicherungen, Banken, Berater und andere."
Bei der Aufarbeitung des Milliarden-Betrugs an der Wall Street gerät die US-Börsenaufsicht SEC stärker unter Druck. Der Finanzexperte Harry Markopolos, der die SEC jahrelang davon zu überzeugen versuchte, dass Madoff ein Betrüger sei, erhob vor dem Finanzausschuss des US-Repräsentantenhauses schwere Vorwürfe gegen die Behörde. Sie habe eine "völlige Unfähigkeit zu Ermittlungen" an den Tag gelegt.

Neuer Betrugsfall aufgedeckt

Während US-Behörden den Madoff-Skandal aufarbeiten - 7000 nicht gekennzeichnete Kisten mit Unternehmensunterlagen wurden sichergestellt -, hat die SECeinen weiteren Fall aufgedeckt, bei dem auch 1400 Europäer geschädigt wurden. Sie solaen durch überhöhte Kommissionsgebühren um 44,2 Mio. Dollar gebracht worden sein. (Bettina Pfluger, Jan Marot, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.2.2009)